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Nachterstedt: Debatte über Erdrutsch-Ursache

22.07.2009, 13:12

Nachterstedt/dpa. - Nach dem verheerenden Erdrutsch in Nachterstedt rückt die Debatte über mögliche Ursachen und die Folgen für die Rekultivierung anderer Bergbau-Gebiete immer stärker in den Mittelpunkt.

Die für die Flutung früherer Braunkohletagebaue zuständige Gesellschaft LMBV, andere Bergbaufachleute und Sachsen- Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) widersprachen am Mittwoch vehement Aussagen, die Katastrophe mit drei Toten sei vorhersehbar und damit zu verhindern gewesen. «Manche wissen gar nicht, wo Nachterstedt liegt, wissen aber schon, wie es passiert ist», kritisierte Böhmer in einem dpa-Gespräch und verwies darauf, dass die Ursache wohl erst in etwa drei Monaten feststehe. Laut LMBV besteht derzeit keine akute Gefahr für andere Tagebauseen im Osten.

Unterdessen erhielten die 41 Menschen, deren Häuser nach dem Unglück am Samstag nicht mehr bewohnbar sind, von der bundeseigenen Gesellschaft erste finanzielle Soforthilfen, einige bezogen neue Wohnungen. Wegen der Gefahr weiterer Erdrutsche wurden die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Concordia-See ausgebaut. Deswegen können die Betroffenen, die am Wochenende einige wenige Habseligkeiten aus den Häusern holen konnten, definitiv nicht noch einmal dorthin zurück, wie der Krisenstab am Mittwoch mitteilte. Für den Freitag ist eine Andacht zur Erinnerung an die Opfer geplant.

«Ich habe bisher keine Katastrophe erlebt, wo nicht nachher Leute aufgetaucht sind, die alles schon vorher gewusst haben. Ich wundere mich sehr über einige Aussagen», sagte Böhmer. «Ich muss den Verantwortlichen glauben, die sagen, wir haben keine Ergebnisse festgestellt, die auf einen solchen Erdrutsch hingedeutet hätten.» Der Grundwasserspiegel, der nach dem Erdrutsch angestiegen sei, und mögliche Bodenschwankungen seien in der Vergangenheit überwacht worden, die Ergebnisse seien einsehbar.

Der Freiberger Geologie-Fachmann Horst Richter hält derartige Ereignisse für nicht vorhersehbar. «Die Natur macht oft Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Sie ist unberechenbar», sagte der Vorsitzender des interdisziplinären Netzwerkes Geokompetenzzentrum Freiberg der dpa. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es aus seiner Sicht noch bei der permanenten Beobachtung früherer Tagebaugebiete.

Der Katastrophenforscher Wolf Dombrowsky von der Universität Kiel hatte dagegen erklärt, das Unglück sei vorhersehbar gewesen und könne sich andernorts wiederholen. Er verweise seit Jahren darauf, dass bisherige Risikobewertungen in Bergbauregionen ungenügend seien, da bestimmte geologische Gegebenheiten unberücksichtigt blieben.

Böhmer bekräftigte die Vereinbarung Sachsens, Sachsen-Anhalts und Brandenburgs, noch einmal alle Tagebauseen zu untersuchen, auch wenn der Grund für die Katastrophe in Nachterstedt noch nicht feststehe. «Wir werden alle Tagebaurestlöcher, die wir geflutet haben und die wir fluten, noch einmal kontrollieren.» Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) erklärte mit Blick auf andere Tagebauseen im Osten: «Nach den Einschätzungen der LMBV und der zuständigen Behörden gibt es derzeit keine Erkenntnisse, dass an anderen Orten derartige Gefährdungen vorliegen.»

Bei dem Unglück in Nachterstedt kamen drei Menschen im Alter von 48, 50 und 51 Jahren ums Leben, die mit ihrem Haus in die Tiefe gerissen wurden. Auch die Hälfte eines Mehrfamilienhauses rutschte mit rund zwei Millionen Kubikmetern Erdmassen weg. Am Montag waren die Versuche zur Bergung der Opfer eingestellt worden. Der See bleibt gesperrt, weil im Falle neuer Rutsche Flutwellen befürchtet werden.

www.lmbv.de