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Nach Fluglotsen-Mord Nach Fluglotsen-Mord: Rache und Verzweiflung waren offenbar die Motive

26.02.2004, 10:47
Die Aufnahme vom 16.05.2002 zeigt das Kontrollzentrum der Schweizer Flugsicherung "Skyguide". Anderthalb Jahre nach dem Flugzeugunglück am Bodensee ist ein Fluglotse der Schweizer Flugsicherung skyguide am Dienstagabend (24.02.2004) erstochen worden. Der 36-Jährige wurde laut der Polizei in Zürich in seinem Haus getötet. Der Däne hatte am 1. Juli 2002 Dienst, als bei einem Zusammenstoß zweier Flugzeuge über Überlingen am Bodensee 71 Menschen umkamen. Das ein Fehler von skyguide zum dem Unglück führte, ist bisher nicht ausgeschlossen. Die Polizei fahndet nach einem etwa 50 bis 55- jährigen Mann, der gebrochenes Deutsch gesprochen haben soll. (Foto: dpa)
Die Aufnahme vom 16.05.2002 zeigt das Kontrollzentrum der Schweizer Flugsicherung "Skyguide". Anderthalb Jahre nach dem Flugzeugunglück am Bodensee ist ein Fluglotse der Schweizer Flugsicherung skyguide am Dienstagabend (24.02.2004) erstochen worden. Der 36-Jährige wurde laut der Polizei in Zürich in seinem Haus getötet. Der Däne hatte am 1. Juli 2002 Dienst, als bei einem Zusammenstoß zweier Flugzeuge über Überlingen am Bodensee 71 Menschen umkamen. Das ein Fehler von skyguide zum dem Unglück führte, ist bisher nicht ausgeschlossen. Die Polizei fahndet nach einem etwa 50 bis 55- jährigen Mann, der gebrochenes Deutsch gesprochen haben soll. (Foto: dpa) KEYSTONE/epa

Zürich/dpa. - Verzweiflung und Rache als mögliches Motiv: Nach dem Mord an einem Lotsen der Flugsicherung skyguide ist ein Verdächtiger festgenommen worden, der seine Familie bei der Flugzeugkatastrophe von Überlingen verloren hat. Nicht einmal zwei Tage nach der Bluttat fassten Fahnder am Donnerstag einen verdächtigen 48-jährigen Ausländer in Zürich. Obwohl er zunächst kein Geständnis ablegte, zeigten sich die Schweizer Ermittler überzeugt, dass er aus Rache den Lotsen tötete. Der Festgenommene, dessen Identität nicht genannt wurde, hatte bei dem Flugzeugzusammenstoß am 1. Juli 2002 in Überlingen am Bodensee seine Frau, Sohn und Tochter verloren.

Der Ermordete hatte in der Nacht der Katastrophe Dienst und war in der Öffentlichkeit schwerer Fehler beschuldigt worden. Insgesamt waren 71 Menschen, darunter 52 Kinder aus Russland umgekommen. Unter den Fluglotsen geht jetzt die Angst vor weiteren Racheakten um.

Staatsanwalt Pascal Gossner sagte, zwar habe der Mann noch kein Geständnis abgelegt und auch ein Alibi vorgelegt. «Verschiedene Indizien weisen jedoch auf ihn als möglichen Täter hin.» Und Ermittler Marcel Suter erklärte: «Sämtliche bisherigen Ermittlungsergebnisse rücken den Verhafteten als Tatverdächtigen ins Zentrum.» Der Mann war am Mittwochnachmittag in einem Gasthaus nahe dem Tatort verhaftet worden. Er hielt sich seit dem 18. Februar in der Schweiz auf und war offenbar legal eingereist.

Eine arglose Nachbarin hatte dem mutmaßlichen Täter den Weg zum Haus des Lotsen gewiesen, als der Unbekannte ihr einen Zettel mit dem Namen des Dänen vorhielt. Der Chef Kriminalpolizei Zürich, Georges Dulex, berichtete, die Tat habe sich am Dienstag kurz vor 18.00 Uhr ereignet. Der Verdächtige sei zum Haus des Lotsen gegangen und auf der Terrasse auf sein Opfer gestoßen. Ehefrau und Kinder hätten zwar Lärm gehört, die Tat jedoch nicht unmittelbar miterlebt. Der Däne wurde durch zahlreiche schwere Stich- und Schnittwunden auch in Herz und Lunge getötet. Todesursache war Verbluten. Als mutmaßliche Tatwaffe wurde in der Nähe ein Klappmesser mit 14 Zentimeter langer Klinge sichergestellt.

Der jetzt Festgenommene war unter anderem bei der Trauerfeier in Überlingen im vergangenen Sommer durch seinen Schmerz aufgefallen. Auch bei seiner Festnahme habe sich der Mann auffällig benommen, sagte Gossner. «Er verhielt sich so, dass man den Eindruck hatte, dass er den tragischen Verlust... noch nicht verarbeitet hat und noch nicht verkraften kann», sagte der Staatsanwalt. Schon direkt nach dem Mord hatten die Ermittler einen Racheakt vermutet. Beim Flughafen und in Hotels wurden Namen mit den Listen der Hinterbliebenen der Opfer, die meisten aus der Teilrepublik Baschkirien, verglichen. So kam man auf die Spur des jetzt Verhafteten.

Bei dem tragischen Unglück war eine Frachtmaschine des Kurierdienstes DHL mit einem russischen Passagierflugzeug des Typs Tupolew in über 11 000 Metern Höhe zusammengeprallt. Die Kinder und Jugendlichen gehörten zur hoffnungsvollen Elite ihres Landes. Sie hatten als Klassenbeste eine Ferienreise nach Barcelona gewonnen. Der Flugsicherung skyguide und dem zum Zeitpunkt des Unglücks allein Dienst habenden Lotsen waren schwere Versäumnisse vorgeworfen worden. Ein Untersuchungsbericht steht aber noch aus.

Unterdessen geht bei den Fluglotsen in der Schweiz, aber auch in anderen Ländern die Angst vor möglichen weiteren Racheakten um. skyguide hat verschiedene Schutzmaßnahmen für ihre Angestellten ergriffen. Chef Alain Rossier wird ebenso bewacht wie der zweite Fluglotse, der in der selben Unglücksnacht zusammen mit dem nun Ermordeten Dienst hatte und eine Pause machte. «Alle die bei skyguide arbeiten fühlen sich irgendwie mitschuldig», sagte der Psychologe Thomas Schläpfer der «Berner Zeitung». Es handele sich um eine «doppelte Tragik» für alle Betroffenen, deren Folgen noch gar nicht abzusehen seien.

Eineinhalb Jahre nach der Flugzeugkollision am Bodensee, bei der 71 Menschen starben, ist der Lotse der Schweizer Flugsicherung Skyguide bei Zürich erstochen worden. Das Opfer hatte in der Unglücksnacht Dienst gehabt. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen der Tat und dem Unglück. In der Nacht zum 2. Juli 2002 war eine russische Tupulew, die auf dem Weg von Moskau nach Barcelona war, mit einer Boeing aus Bahrain bei Überlingen zusammengestossen. Die Opfer waren überwiegend russische Kinder. (Grafik: ddp)
Eineinhalb Jahre nach der Flugzeugkollision am Bodensee, bei der 71 Menschen starben, ist der Lotse der Schweizer Flugsicherung Skyguide bei Zürich erstochen worden. Das Opfer hatte in der Unglücksnacht Dienst gehabt. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen der Tat und dem Unglück. In der Nacht zum 2. Juli 2002 war eine russische Tupulew, die auf dem Weg von Moskau nach Barcelona war, mit einer Boeing aus Bahrain bei Überlingen zusammengestossen. Die Opfer waren überwiegend russische Kinder. (Grafik: ddp)
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