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Gesellschaft Nach Entscheidung für Halle: Gemischte Gefühle in Thüringen

Mit Spannung war die Entscheidung zum Standort für das Zukunftszentrum erwartet worden. Der Zuschlag für Halle sorgt bei den Thüringer Bewerbern für Enttäuschung - und leise Hoffnung.

Von dpa 15.02.2023, 13:10

Erfurt - Nach der Entscheidung für Halle an der Saale als Sitz des geplanten neuen Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und Europäische Transformation mischen sich in Thüringen Enttäuschung und Hoffnung. „Durch die Bewerbung ist in Jena, auch ohne den Zuschlag, etwas Bleibendes entstanden“, sagte Oberbürgermeister Thomas Nitzsche und hob das große Engagement vieler Akteure der Stadt hervor. „Wir werden zusammen am Thema dranbleiben und auch künftig Transformationsprozesse aktiv gestalten.“ Er hoffe, dass Mitteldeutschland insgesamt von dem Zentrum in Halle profitieren werde.

Der Präsident der Jenaer Universität, Walter Rosenthal, äußerte sich positiv darüber, die Bewerbung der Stadt als Partner begleitet zu haben. „Wir konnten die herausragende Transformationsforschung und unsere Osteuropa-Expertise an der Friedrich-Schiller-Universität der Öffentlichkeit präsentieren und neue Kontakte knüpfen.“ Mit der Bewerbung hätten die Akteure zeigen können, was Wissenschaft in Jena auszeichne, sagte er: „Neben exzellenter Forschung ist das eine enge Zusammenarbeit mit Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kultur.“

„Als Landesvater bin ich enttäuscht darüber, da die Landesbewerbungen aus Jena und Eisenach starke Elemente hatten“, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Metropolregion Halle-Jena-Leipzig werde so aber weiter gestärkt, sagte er. „Der ganze mitteldeutsche Raum hat damit eine gute Perspektive.“ Als einen Gewinn für Mitteldeutschland insgesamt bezeichnete auch Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) bei Twitter die Ansiedelung des Zentrums in Halle.

In Eisenach, der kleinsten aller Bewerberstädte, ist die Enttäuschung groß. Die Ansiedlung des Zentrums wäre „anders als bei anderen Bewerbern essenziell für die Weiterentwicklung der Stadt und des gesamten Umlands gewesen“, sagte Oberbürgermeisterin Katja Wolf. So sei „die größte Chance der Region seit Jahrzehnten verstrichen“. Anders als andere habe Eisenach „keine Elfenbeinturm-Bewerbung mit großem Budget“ eingereicht, sagte Wolf. Die Bewerbung sei maßgeblich durch ehrenamtlich engagierte Bürger zustande gekommen. „Unsere Kampagne war eine Bürgerbewegung aus dem Herzen der Stadt.“

Eisenach mit rund 42.000 Einwohnern konnte als einziger Bewerber keine eigene Universität vorweisen. Dass die Entscheidung für einen großen universitären Standort gefallen sei, beschrieb Wolf als nachvollziehbar. Dennoch hatte sie gehofft, dass Aspekte wie die zentrale Lage und die Erfahrungen mit tiefgreifenden Veränderungen stärker berücksichtigt worden wären.

Wolf will im Gespräch mit der Bundesregierung bleiben, um über andere Wege Unterstützung für die „große Transformationsaufgabe“ der Stadt einzuwerben. Da Eisenach in vielen Bereichen auf den Verbrennungsmotor spezialisiert sei, werde der Wandel in der Automobilindustrie besondere Auswirkungen haben, sagte sie. Als Standort für das Zukunftszentrum war in Eisenach das Gelände eines ehemaligen Automobilwerks vorgesehen.

Beide Thüringer Bewerber hätten das Zentrum verdient gehabt, sagte CDU-Fraktionschef Mario Voigt. Zugleich betonte er, dass der Osten „keine Museen, sondern wichtige Entscheidungsinstanzen“ brauche. Es komme darauf an, große Bundesbehörden in den Osten und vor allem nach Thüringen zu holen. „Die Infrastruktur und der Wille der Menschen, am Land mitzugestalten, ist da.“

Die Auswahljury hatte die Empfehlung für Halle am Dienstagabend bekannt gegeben. Neben den beiden Thüringer Bewerbern Jena und Eisenach waren Frankfurt (Oder) und das Duo Leipzig und Plauen im Rennen gewesen. Nach einem Architekturwettbewerb soll bis 2028 ein „Gebäude mit einer herausgehobenen modernen Architektur“ für bis zu 200 Millionen Euro gebaut werden.