Münchner Discotheken Münchner Discotheken: Afrikaner klagt gegen Rassismus

München - 25 Clubs, 20 Mal „Du kommst hier nicht rein“. Der Afrikaner Hamado Dipama hat in Münchner Diskotheken getestet, was er schon vorher vermutete: Dunkelhäutige haben es schwer, am Türsteher vorbei zu kommen. Nachdem er als Mitglied des Ausländerbeirates der Stadt immer wieder Klagen hörte, wollte der Mann aus Burkina Faso der Sache selbst auf den Grund gehen - und zog im April vergangenen Jahres ein Wochenende lang mit einigen Mitstreitern los.
Das Ergebnis: Er und ein ebenfalls dunkelhäutiger Freund wurden in fast allen Clubs abgewiesen. Ihre weißen Begleiter kamen überall hinein. Das machte Dipama so wütend, dass er nun gegen sechs der Clubs vor Gericht zieht. Er hat sie auf Unterlassung verklagt und verlangt Schmerzensgeld. „Wegen der Hautfarbe abgelehnt zu werden, ist Alltag“, sagt er. „Traurig, aber so ist es.“
Die Grundlage für seine Klage ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dessen Ziel es ist, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Auf dem Papier klingt das ganz einfach.
„Das AGG ist natürlich anwendbar“, sagt der Vorsitzende Richter Ulrich Locher am Mittwoch beim Auftakt des ersten Prozesses gegen einen Club auf dem Gelände der Kultfabrik im Münchner Osten. Dort wies ein Türsteher die beiden dunkelhäutigen Männer laut Dipama mit den Worten „nur mit Reservierung“ ab und räumte später ein, gelogen zu haben - auf Anweisung seines Chefs. Der Geschäftsführer der zuständigen Sicherheitsfirma betonte dagegen, Diskriminierung gebe es nicht. Seine Mitarbeiter hätten die Anweisung, alle Leute gleich zu behandeln. Nur Gäste in Jogginghosen oder dreckigen Turnschuhen würden abgewiesen, Betrunkene oder Minderjährige.
„Was man da glaubt oder nicht, ist immer schwierig“, sagt Richter Locher. „Die Beweislage ist sehr durchmischt.“ In Bezug auf den Kläger Dipama betont er aber auch: „Er war nicht alkoholisiert, er war nicht aggressiv, der Club war nicht voll.“ Dass Türsteher immer wieder rassistische Entscheidungen treffen, stehe außer Frage, meint er. „Es gibt unterschwelligen und auch offen zur Schau gestellten Rassismus. Das AGG ist ja nicht vom Himmel gefallen.“
Ein Club darf seine Zielgruppe aussuchen
Allerdings gehe es in dem Verfahren nicht darum, ob es in unserer Gesellschaft Rassismus gibt oder nicht, sagt der Richter. „Den gibt es. Ich entscheide nur, ob eine Person an diesem Tag eine unzulässige Entscheidung getroffen hat.“ Schließlich dürfe ein Club seine Zielgruppe aussuchen. „Der Nachtclub ist nicht der MVV“, sagt Locher. Der MVV ist in München der Nahverkehrsverbund.
„Eine Diskothek zeichnet sich schon durch gesteigerten sozialen Kontakt aus. Ich will vielleicht sogar jemanden abschleppen oder abgeschleppt werden“, sagt Locher. „Ein gewisser Filter ist ok, aber Hautfarbe als Filter ist eben verboten.“ Daran ändere auch das Hausrecht der Clubbetreiber nichts.
Es ist eine Gratwanderung, der Übergang zwischen Hausrecht und Diskriminierung ist fließend und dass die Entscheidung alles andere als leicht ist, zeigt sich daran, dass Richter Locher den Parteien binnen einer Woche eine schriftliche Empfehlung zukommen lassen will, wie es seiner Ansicht nach im Prozess weitergehen sollte. „Es ist natürlich ein schwer komplizierter Sachverhalt.“
Entscheidungen meist in niedrigen Instanzen
Seit 2006 wurden bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mehr als 160 Fälle möglicher Diskriminierung beim Disco-Einlass bekannt. Rechtsprechung gibt es zu diesem Bereich aber noch sehr wenig - und kaum in höheren Instanzen.
Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte einen Clubbetreiber im Jahr 2011 dazu, 900 Euro an einen Schwarzen zu zahlen, der vom Türsteher abgewiesen wurde (AZ 10 U106/11). Ähnliche Entscheidungen gibt es aber nur in niedrigeren Instanzen - zum Beispiel von den Amtsgerichten Oldenburg (AZ E2 C 2126/07) und Bremen (AZ 25 C 0278/10).
Erst im Januar wurde ein Disco-Betreiber aus Hannover dazu verurteilt, 1000 Euro an einen Gast mit türkischen Wurzeln zu zahlen, der an der Tür abgelehnt wurde - während Gäste ohne erkennbar ausländische Wurzeln eingelassen wurden. Das Amtsgericht verurteilte den Club außerdem dazu, dem Kläger künftig Zutritt zu gewähren, wenn keine zwingenden Gründe dagegen sprechen, die nichts mit der Herkunft des Mannes zu tun haben.
Richter Locher bringt die juristischen Schwierigkeiten, die Dipama bei seinem Münchner Prozess-Marathon erwarten, so auf den Punkt: „Es ist extrem auffällig, dass der Kläger in 20 Clubs abgewiesen wurde. Es liegt auch nahe, dass es Rassismus gibt. Es ist nur rechtlich schwierig, das den Beklagten aufs Brot zu schmieren.“ (dpa)