«Mein Weg - Bilanz eines Grenzgängers» «Mein Weg - Bilanz eines Grenzgängers»: Reinhold Messner feiert 20-jähriges Bergjubiläum

München/dpa. - Er hat Wüsten durchwandert, zu Fuß denSüdpol erreicht und als erster Mensch alle Achttausender der Weltbestiegen - ohne künstlichen Sauerstoff. Am 16. Oktober vor 20 Jahrenstand er mit seinem Bergsteigerkollegen Hans Kammerlander auf dem8516 Meter hohen Gipfel des Lhotse im Himalaya als letztem der 14mächtigsten Gipfel. Nur drei Wochen zuvor hatten die beiden den 8463Meter hohen Makalu bezwungen.
Tagelang wurde Messner nach seiner Rückkehr in Sulden am Ortlergefeiert. Im Südtiroler Regionalfernsehen erreichte er dieTraumeinschaltquote von 100 Prozent. In Deutschland saßen knapp 25Prozent vor dem Bildschirm, um den provozierenden Worten des bärtigen Meisterkraxlers zu lauschen: «Ich bin ein Mensch der Widersprüche. Anmeinen Kritikern und Neidern bin ich gewachsen.»
Jahrzehntelang hat der heute 62-Jährige mit kernigen Aussagen fürZündstoff gesorgt. So kritisierte er den Alpenverein und verlangte,die Berge nicht weiter zu erschließen. «Die Massenaufläufe nehmen denBergen die Kraft.» Unter dem Titel «Mein Weg» sind nun rechtzeitigzum Jubiläum des Gipfelrekords Interviews und eigene Texte aus knapp30 Jahren erschienen. Es ist schon das zweite Buch mit diesem Titel -«Mein Weg» gab es bereits 1982, jedoch wurden daraus nachVerlagsangaben nur geringe Teile übernommen.
Über die Jahre wiederholen sich die Fragen der Journalisten, vonMessner gelegentlich «Journaille» oder «Herren Redakteure» genannt.Immer wieder wird Messner nach dem Sinn des Lebens gefragt, nach derEinsamkeit und danach, ob er denn nun ein Egoist oder gar Egomanesei. Auch die Antworten lauten ähnlich: «Ich habe den Mut, meineTräume auszuleben», «Der Egoismus ist eine Pflicht, nicht nur einRecht» oder «Ich stehe zu meiner Besessenheit». Seine Routen am Bergbezeichnet er als Kunstwerke, er sehe sich mehr als Künstler denn alsSportler. Er habe nie ein «Achttausender-Sammler» sein wollen.
Die beiden letzten Gipfel in der Achttausenderreihe waren, obwohler zuvor auch an ihnen gescheitert war, nicht die größten Erfolge.Früher einmal nannte er die zweifache Besteigung des 8125 Meter hohenNanga Parbat als seine gefährlichste und aufregendste Erfahrung. Beider ersten Expedition starb sein Bruder Günther, über die Umständeseines Todes schwelte über Jahre ein wütender Streit zwischen Messnerund ehemaligen Bergkameraden.
Einen Meilenstein setzte Messner mit Peter Habeler 1978 mit derersten Besteigung des 8848 Meter hohen Mount Everest ohneSauerstoffgerät. Ärzte hatten gewarnt, dies werde zu Hirnschädenführen. Bei der zweiten Besteigung zwei Jahre später brach er mitseinem Alleingang zum höchsten Berg der Welt noch einmal alle Tabusim Bergsteigen. Möglichst wenig Hilfsmittel: Das ist seinpersönliches Markenzeichen - und sein Maßstab.
Nach einem Unglück am Mount Everest 1979 verlangte er von dernepalesischen Regierung, die Besteigung mit Sauerstoffgeräten zuverbieten. Ein Versagen der Technik könne tödlich enden. «Wenn derMensch nicht selbst so weise ist, sich wenigstens beim Bergsteigenvon der erdrückenden, ja tödlichen Abhängigkeit von der Technik zubefreien, dann muss man es ihm vorschreiben», sagte er in einem indem neuen Buch zitierten Interview.
Nach den Achttausendern fand er eine neue Herausforderung inextremen Fußmärschen, über den Südpol, durch Grönland oder die WüsteGobi. Er gründete mehrere Museen, im Himalaya brachte er sozialeProjekte auf den Weg. Mit zunehmendem Alter lassen überraschendeBescheidenheiten aufhorchen: «Im Grunde meines Herzens bin ichBergbauer», «Ich bin ein ängstlicher Typ» oder «Meine Neider könnensich freuen, ich bin winzig klein geworden».
Letzteres war eine Übertreibung, was er wenig später noch einmalunterstrich: «Leider gibt es niemanden auf der Welt, der auf dieBühne gehen kann, um mit mir auf gleicher Ebene über geschichtlicheThemen, moralische Themen, geografische Themen, die das Bergsteigenbetreffen, zu reden», gab er 2002 zu Protokoll, und auf die folgendeFrage, ob er größenwahnsinnig sei: «Wieso denn? Mein Problem istdoch, dass es genau so ist. Warum soll ich das nicht sagen? Wenn dieGeschichte mir Recht gibt, dann bin ich auch noch ein Rechthaber.»
Reinhold Messner: «Mein Weg - Bilanz eines Grenzgängers»; Frederking & Thaler-Verlag München; 372 S., Euro 22,00; ISBN-10: 3-89405-243-0; ISBN-13: 978-3-89405-243-0

