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Medien Medien: Hosen runter im Internet

Von Caroline Bock 06.09.2009, 17:22

Berlin/dpa. - Das Interviewsieht aus wie zu den coolen Zeiten von Viva und MTV, als dieMusiksender noch wild und eine Revolution für die Sehgewohnheitenwaren. Moderator Markus Kavka gehört zu den Fernsehprofis, diemittlerweile das Internet als Spielwiese nutzen. Seine etwa achtMinuten lange Sendung läuft dort bei Myspace.

Auch Christian Ulmen hat mit seinen Kunstfiguren, darunter dieNervensäge Uwe Wöllner, eine treue Fangemeinde im Netz. Wenn Uwe mitseinem Redakteur Gero Schorch in den Puff geht und die Hosenrunterlässt, wäre das im klassischen Fernsehen ein Skandal - imInternet liegen die Grenzen des Geschmacks woanders.

Wie verändern Videoclip-Börsen wie YouTube, wo jeder zumFilmemacher wird und seine Clips zeigen kann, die Sehgewohnheiten?Sind die Clips im Internet so wichtig wie das Musikfernsehen in den90er Jahren? Wie beeinflussen sich Film, Fernsehen und Internet?Auch beim Kongress der Berliner Medienwoche an diesem Montag undDienstag auf der Elektronikmesse IFA wird es um solche Fragen gehen,dort wird zum Beispiel über Webserien wie «Candy Girls» und «Tiger,die Kralle aus Kreuzberg» diskutiert.

Die neue Clipkultur ist längst im Alltag angekommen. Im Büroschickt man sich lustige Katzenfilmchen zu. Besonders Kinder sindbegeisterte Clip-Zuschauer. Längst glauben auch die alten Hasen imFilmgeschäft an das Internet. «Bei YouTube gibt es, sehr zerstreutzwar, oft brillante Dinge, und die werden vollkommen neu erfunden,ohne jede Programmdirektion. Diese indirekte Öffentlichkeit ist eineneue Herausforderung: ein großer Platz, ein Opernhaus, einParlament»», sagt Regisseur Alexander Kluge (im Interview mit der«Süddeutschen Zeitung»).

Der Berliner Filmwissenschaftler Patrick Vonderau, der ein Buchüber die Google-Tochter YouTube geschrieben hat, glaubt, das Internethabe in gewisser Weise längst das Fernsehen abgelöst. «Den Apparat imWohnzimmer wird es natürlich weiterhin geben, neben portablen undanderen Bildschirmen.» Aber Fernsehen im herkömmlichen Sinne ist fürihn passé, weil die Zuschauer selbst ihren Konsum bestimmen oder zuMedienproduzenten werden. «Wer Fernsehen macht, muss heute mitZuschauern rechnen, die schwer zu disziplinieren sind», erklärtVonderau.

YouTube als Labor

Es gibt im Internet meist keinen Wächter, der entscheidet, wasinteressant ist. Auch Amateure können durch YouTube erfolgreichwerden und mit Werbeeinnahmen sechsstellige Summen verdienen:Vonderau nennt als Beispiel die Show des Amerikaners Michael Buckley.YouTube funktioniere wie ein Labor, in dem das Erzeugen vonAufmerksamkeit zu beobachten ist, sagt Vonderau.

Filme, die viele Nutzer interessieren, werden viel weitergeleitet.«Videos, die kein Fernsehredakteur jemals für sendewürdig befundenhätte, erhalten Millionen von Zugriffen.» Die beliebten Spots vontanzenden Babys, betrunkenen Katzen und sprechenden Hunden sindBeweis dafür. Auch «shortform comedy», improvisierte Sketche einerPerson vor der Kamera, sind populär, hat Vonderau beobachtet.

Eine Richtung gibt das Internet nicht vor. Es herrscht einAustausch zwischen neuen und alten Medien, Fernsehen und Internet,digitaler und analoger Welt. Bloggerin Diablo Cody gewann alsDrehbuchautorin im Filmgeschäft einen Oscar. Katrin Bauerfeindstartete ihre Karriere im Internet bei «Ehrensenf», bevor sie TV-Moderatorin wurde.

Bei Markus Kavka und Christian Ulmen ist das Netz eine echteChance, sich ohne Quotendruck auszutoben. «Im Internet hat mankeinen, der einem reinredet», schwärmt Ulmen, dessen Abenteuer beiUlmen.tv zu sehen sind. «Es gibt keinen Programmdirektor, mit dem ichirgendetwas absprechen muss. Ich kann sofort online gehen. Und esgibt im Internet eine sehr, sehr breite Fanbase von Leuten, die sichdas regelmäßig angucken.»