Malaysia-Airlines-Unglück Malaysia-Airlines-Unglück: Hinterbliebene trauern am Jahrestag um Vermisste des Fluges von MH370

Kuala Lumpur - Verdächtigungen gegen den Piloten von Unglücksflug MH370 entbehren nach Überzeugung internationaler Ermittler jeder Grundlage. Es gebe kein Hinweis auf ein Motiv, warum Flugkapitän Zaharie Ahmad Shah die Boeing mit 239 Menschen an Bord absichtlich ins Verderben gelenkt haben sollte, erklärte das malaysische Verkehrsministerium am Sonntag in einem Zwischenbericht. Das 500 Seiten starke Dokument zur Untersuchung wurde exakt am ersten Jahrestag des Unglücks in Kuala Lumpur veröffentlicht.
Fazit: Die Experten sind ratlos, was mit der Boeing passiert ist. Nur Wrack und Flugdatenschreiber könnten neue Aufschlüsse geben, heißt es in dem Bericht. Die Boeing 777-200ER der Malaysia Airlines war auf dem Weg von Malaysia nach China spurlos verschwunden. Die Suche nach dem Wrack geht im Indischen Ozean vorerst weiter.
Suche geht weiter
Der Pilot ist seit Monaten im Visier unabhängiger Ermittler. Weil die Kommunikationssysteme an Bord gleichzeitig stoppten und die Maschine nach dem letzten Radarkontakt abrupte Kursänderungen vollzog, glauben sie, nur ein erfahrener Pilot könne dahinterstecken. Ein Motiv lieferten aber auch sie bislang nicht. „Es sind keine Episoden von Apathie, Angst oder Reizbarkeit bekannt“, heißt es über Zaharie in dem neuen Bericht. „Es gab weder Anzeichen von Verhaltensänderungen, noch sozialer Isolation, neuen Interessen oder Selbstvernachlässigung, und keinen Drogen- oder Alkoholmissbrauch beim Piloten, dem ersten Offizier oder anderen Crew-Mitgliedern.“
An Bord waren 227 Passagiere, zwei Piloten und zehn Flugbegleiter. Zwei Drittel der Fluggäste waren Chinesen. Chefpilot Zaharie Ahmad Shah (52) leitete die malaysische Crew.
Kurz nach Mitternacht malaysischer Zeit hebt die Boeing 777-200 in Kuala Lumpur zum Nachtflug ab. Ihr Ziel ist Peking, wo sie um 6.30 Uhr (Ortszeit) erwartet wird. Weniger als eine Stunde nach dem Start verschwindet die Maschine vom Radar. „Gute Nacht, Malaysian drei sieben null“, sind die letzten Worte aus dem Cockpit. Dann herrscht Funkstille.
Was danach passiert ist, lässt sich Experten zufolge ohne die Blackbox nicht rekonstruieren. Niemand weiß, was sich an Bord abgespielt hat. Bei den Ermittlungen herrscht Chaos. Wann der letzte Kontakt war, was das Cockpit meldete - die malaysischen Ermittler korrigieren ihre Angaben ständig.
Vor Vietnam beginnt entlang der regulären Flugroute eine internationale Suche im Südchinesischen Meer. Dann weitet der Krisenstab die Suche auf die Meerenge von Malakka vor Malaysias Westküste und auf den Indischen Ozean aus - fernab der ursprünglichen Flugroute.
Nach einer Woche gibt die malaysische Regierung bekannt, die Kommunikationssysteme an Bord seien „mit hoher Wahrscheinlichkeit absichtlich“ abgeschaltet worden. Satelliten hätten noch fast sieben Stunden lang Signale der Maschine aufgefangen, die offenbar Richtung Süden abdrehte, tausende Kilometer weiterflog und vermutlich in den südlichen Indischen Ozean westlich von Perth an der australischen Westküste stürzte, als der Treibstoff ausging.
War es Entführung, Sabotage, Terrorismus? Ein Selbstmord der Piloten? Die Ermittlungen der malaysischen Regierung laufen ins Leere. Im Internet kursieren Verschwörungstheorien rund um das mysteriöse Verschwinden der Maschine. Hartnäckig hält sich das Gerücht, die Boeing sei vom Militär absichtlich oder versehentlich abgeschossen worden und das werde nun verschleiert.
Eine neue Suche entlang zweier möglicher Routen läuft an. Das Suchgebiet umfasst insgesamt rund 600 000 Quadratkilometer zwischen Sumatra und dem südlichen Indischen Ozean. Nachdem eine weitere Auswertung der Satellitensignale die südliche Route bestätigt und den Kurs besser definiert, koordiniert Australien die Wracksuche rund 2000 Kilometer westlich von Perth. Dutzende Schiffe und Flugzeuge sind im Einsatz, ebenso das unbemannte U-Boot Bluefin-21. Vergeblich. Die Suche wird Ende Mai eingestellt. Nun soll der Meeresboden kartographiert und das Suchgebiet eingeschränkt werden.
Einige Angehörige lehnen die von einer Versicherung angebotenen ersten Entschädigungen von 50 000 Dollar (37 000 Euro) ab, solange das Flugzeug nicht gefunden ist. Diese Zahlung könne Ermittler dazu verleiten, bei der Suche nachzulassen, befürchten sie.
Fast sechs Monate nach dem Verschwinden der Maschine werden Ende August neue Erkenntnisse zum möglichen Absturzort öffentlich. Eine Region weiter südlich als bislang gedacht sein nun von besonderem Interesse, teilt die australische Regierung mit. Die Erkenntnisse beruhten auf der Auswertung eines fehlgeschlagenen Versuchs, die Piloten kurz nach dem Verschwinden vom Radar per Satellitentelefon zu erreichen. Von dem Anruf war zuvor nie die Rede.
Nach der Vermessung des Meeresbodens soll die Suche im September weitergehen. Eine niederländische Privatfirma wird mit Unterwassersonden mit Sonar- und Kameratechnik rund 60 000 Quadratkilometer Ozean systematisch absuchen. Vier malaysische Schiffe unterstützen die Aktion, die bis zu zwölf Monate dauern kann.
Wie viel die Suche insgesamt kosten wird, ist noch unklar. Medienberichten zufolge könnte sie Hunderte Millionen Dollar verschlingen. Australien ist zusammen mit China einer der größten Finanziers. Auch Malaysia will sich an den Kosten beteiligen. Bei der Suche machten bisher neben diesen drei Ländern unter anderem Vietnam, Thailand, Indien, Neuseeland, Südkorea und die USA mit Schiffen und Flugzeugen mit.
Während Angehörige unter anderem in Malaysia und China am Sonntag der Insassen der Maschine gedachten, beteuerten Politiker, dass die Suche nach dem Wrack vorerst weitergeht. „Es kann nicht ewig dauern, aber so lange es glaubhafte Spuren gibt, geht es weiter“, sagte der australische Regierungschef Tony Abbott. Australien koordiniert die Suche, die bereits mehr als 100 Millionen Euro verschlungen hat.
„Das Verschwinden von MH370 ist beispiellos, ebenso wie die Suche“, sagte Malaysias Regierungschef Najib Razak. „Es ist bei weitem die komplexeste und herausforderndste Suche in der Geschichte der Luftfahrt.“ Das Wrack wird in einer der entlegensten Ozeanregionen der Welt rund 2000 Kilometer westlich von Perth vermutet. Dort ist das Wasser teils 6000 Meter tief und der Meeresboden mit Bergen und steilen Klippen zerfurcht.
„Es gibt keine Worte, um den Schmerz der Familien der Insassen zu beschreiben“, sagte Najib. „Dass es keine Antworten gibt und keinen definitiven Beweis (für den Absturz) macht es umso schwerer zu ertragen.“ Viele Angehörige argwöhnen seit den anfänglich chaotischen und widersprüchlichen Angaben zu dem Unglück, dass die malaysischen Behörden etwas verbergen. (dpa)