Gedenkstätte Lüneburger Gedenkstätte gibt NS-Opfern Namen
In Lüneburg wird eine Dauerausstellung in einer Gedenkstätte für Hunderte NS-Opfer eröffnet. Das Besondere: Jahrelang wurden die Familien der Getöteten gesucht und viele gefunden.

Lüneburg - „Leistet nichts. Zu schwach. Nicht einsatzfähig.“ - So lautete eines von vielen vernichtenden Urteilen eines leitenden Arztes in Lüneburg in der NS-Zeit. „Das ist ein Zitat aus einer Krankenakte“, berichtet Gedenkstättenleiterin Carola Rudnick. Der Mediziner habe die Ausländersammelstelle geleitet und Zwangsarbeiter begutachtet. Über Hunderte dieser Schicksale ist in der Dauerausstellung „Lebenswert“ in der Gedenkstätte im ehemaligen Wasserturm mehr zu erfahren.
Drei Jahre habe man an der Zusammenstellung gearbeitet und zu den Lebensgeschichten der Opfer geforscht. „Wir haben den Wunsch gehabt, die Familien der Psychiatrie-Patienten zu finden und aktiv Suchaufrufe gestartet“, erzählt Rudnick. Bei etwa 350 Erwachsenen und Kindern habe man Rückmeldungen bekommen, die Zahl steige ständig. 1,4 Millionen Euro habe das Projekt gekostet, Land und Bund hätten sich die Kosten geteilt.
In Lüneburg wurden nach Angaben der Lüneburger Kliniken unter anderem 440 Kinder und Jugendliche sowie etwa 300 ausländische Menschen Opfer der sogenannten Euthanasie-Morde. Ab Oktober 1941 wurden Patienten und Patientinnen der Heil- und Pflegeanstalt von Lüneburg und ab Januar 1943 auch Patienten des Städtischen Krankenhaus ermordet.
Mord von rund 2.000 Krankenhaus-Patienten
Sie starben den Angaben zufolge in Lüneburg oder wurden an unbekannte Orte gebracht und dort ermordet. 479 Menschen wurden in der Hansestadt Opfer der sogenannten Aktion T4, bei der Menschen mit Behinderung getötet wurden. Mehr als 800 Menschen starben an Mangel- und Fehlversorgung, mindestens 820 wurden zwangssterilisiert. „Das Ganze hörte 1945 nicht auf. Bis 1947 verhungerten Menschen und bekamen zu wenig Medikamente“, sagt Rudnick.
So ist auch das Handeln der Täter sowie die Fortsetzung der Gewalt in psychiatrischen Einrichtungen im Nachkriegsdeutschland Thema des Rundgangs. Alle bekannten Opfer werden namentlich genannt und es wird auch darüber informiert, wie die Angehörigen jeweils mit dem Verlust umgingen. Die Informationen in der Ausstellung in Erinnerung an den Mord von rund 2.000 Krankenhaus-Patienten gibt es auch auf Englisch, Polnisch, in leichter Sprache und als Audiofassung.
Untersuchung zu leeren Gräbern beginnt
Bei der Suche nach bestatteten Opfern des NS-Regimes war die „Euthanasie“-Gedenkstätte zuletzt auf Dutzende leere Gräber in der Hansestadt gestoßen. 75 Skelette von Erwachsenen und vier von ermordeten Kindern fehlten in der Kriegsgräberstätte. Die Erwachsenen waren vor allem Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem Ausland. In einer Machbarkeitsstudie soll von September an geforscht werden, wo die sterblichen Überreste geblieben sind, sagt Rudnick.
35 hatte man gefunden, konnte sie nach den Plänen aus den Friedhofsunterlagen aber nicht zuordnen. Die Vermutung: 1975 seien zwar die Gräber an der Gedenkanlage für die Opfer der NS-Psychiatrie eingerichtet worden, die Gebeine aus anderen Gräbern auf dem Friedhof aber nicht umgebettet worden. Dies betreffe vier Gräber für Kinder.