Luftverkehr Luftverkehr: Inselfliegen an der Nordseeküste

Helgoland/dpa. - «Wir sind die Ergänzung zum Schiff», sagt Floris Helmers,Geschäftsführer von «Air Hamburg». Die Fluggesellschaft steuert mitein- und zweimotorigen Flugzeugen mehrere Nordseeinseln an, darunterauch zwei Mal täglich Helgoland. «Da sind nicht nur Urlauber an Bord,sondern auch Fracht, Arzneimittel oder eilige Ersatzteile»,beschreibt der Berufspilot.
Im Flugplan der Inselflieger steht aber nicht nur Deutschlandseinzige Hochseeinsel: Auch auf Wangerooge, Juist, Borkum oder Föhrgehört die Versorgung aus der Luft zum Alltag. Dort sind dieLandebahnen aber meist etwas länger als auf Helgoland: 800 Metermisst die Piste auf Wangerooge, 1000 Meter sind es auf Borkum.Großflughafen an der Küste ist Westerland auf Sylt. Auf der rund 2000Meter langen Bahn schweben auch Airbus und Regionaljet von Air Berlinoder Lufthansa ein.
An den Startflugplätzen vieler Inselflüge geht es zwar genausoprofessionell, aber kaum so hektisch zu wie auf großenVerkehrsflughäfen. Lounges mit Ledersesseln, Fluggastbrücken oderDuty-Free-Shop fehlen in Heide-Büsum, Harlesiel oder Uetersen beiHamburg. «Die Wege sind kurz, und das Einchecken dauert nur ein paarMinuten», beschreibt Helmers die Vorteile in Uetersen.
Durchsagen wie «Herr Meyer wird dringend zum Abflug an Gate A33gebeten - Mister Meyer is requested to proceed to Gate A thirty-threefor immediate boarding» gibt es nicht - die Piloten nehmen ihrePassagiere selbst in Empfang, führen sie zum Flugzeug und helfen beimEinsteigen.
Nichts erinnert an einen Großflughafen mit langen Schlangen,dunklen Gängen und vielen tausend eiligen Flugreisenden. In Uetersenvor den Toren Hamburgs werden die Fluggäste in einem Zelt mitKaffeebar und Strandkorb abgefertigt. Ähnlich geht es zum Beispiel amFlugplatz Wangerooge zu: Das Terminal ist kaum größer als einWohnzimmer: Ticketschalter, Waage und Kofferservice laufen abergenauso gut organisiert wie an vielen Großflughäfen.
Während mancher Regionalflughafen mit gerade einmal zwei täglichenLinienverbindungen versucht, sich mit Schildern wie «Internationaland Domestic Departures» das Flair von großer weiter Welt zu geben,zählt an den Insel- und Küstenflugplätzen Zweckmäßigkeit statt Glanz.Neben den Passagieren kommt auch eilige Fracht wie zum BeispielZeitungen per Flug auf die Insel.
Beim Einsteigen in Uetersen gibt es keine Hektik wie bei manchemBilligflieger, wenn Passagiere die Sitze wie Sonnenliegen imClubhotel blockieren. Für Reisen auf die Inseln kommen meistFlugzeuge mit drei bis zehn Passagierplätzen zum Einsatz - hier hatjeder Gast einen Fensterplatz mit weitem Blick durch große Fensterauf Sandbank und Seehund.
Für Landungen auf Helgoland gelten strikte Sicherheitsregeln.«Piloten müssen für Anflüge nach Helgoland ein spezielles Trainingabsolvieren. Außerdem setzen wir mit der Britten Norman Islander einFlugzeug ein, das extra für solche Strecken entwickelt wurde», sagtHelmers. Im «Jumbo-Jet» der Inselflüge haben neun Passagiere und derPilot Platz. Das zweimotorige Flugzeug steuert Landeplätze an, diegroße und empfindliche Verkehrsflugzeuge das Fürchten lehren, einehalbwegs gerade Graspiste reicht dem robusten Hochdecker.
An der Nordseeküste fliegen Islander nicht nur bei Air Hamburg,sondern zum Beispiel auch bei der «Luftverkehr Friesland Harle». ZehnKilometer Luftlinie von Harle nach Wangerooge zählen zu den kürzestenLinienflügen Deutschlands. Auf internationalen Großflughäfen rolltein Jet diese Distanz manchmal schon vom Terminal bis zur Startbahn.
Flüge nach Helgoland oder auf die anderen Nordseeinseln dauern vonHamburg aus maximal eine Stunde. Leise brummend geht es entlang derElbe bis zur Mündung. Rechts und links weicht das Land immer weiterzurück, bis für rund fünf Minuten ein bisschen Stimmung wie beiCharles-Lindberghs Atlantikflug aufkommt: Ringsherum nur Wasser - nurab und zu ein Fischkutter oder Frachtschiff auf Reede.
Mit den Heldentaten einstiger Seeflieger hat das Geschäft aberheute nichts mehr zu tun. Für die kleinen Flugzeuge gelten ähnlichstrenge Sicherheitsregeln wie bei großem Airbus oder Boeing. Einenwackeligen Kompass, der noch in den Anfangsjahren der Seefliegereiden Weg wies, sucht man im Cockpit vergeblich - GPS undFunknavigation zeigen auf wenige Meter genau den Kurs und dieEntfernung nach Helgoland.
Langsam taucht die Insel mit ihrer Badedüne aus dem Dunst auf. Ineiner großen Schleife führt der Sinkflug auf den Flugplatz zu.«Welche Piste wir auf Helgoland ansteuern, hängt von denWindverhältnissen ab», erzählt Helmers. «In der Regel steht dieIslander nach 150 bis 200 Metern», sagt der Pilot. GroßeVerkehrsflugzeuge brauchen im Vergleich dazu 1000 bis 2000 MeterLandestrecke. «Die Islander ist so konstruiert, dass sie sehr langsamfliegen kann», erklärt der Air-Hamburg-Geschäftsführer. Mit einemTempo von rund 60 Knoten, das sind etwa 100 Stundenkilometer, schwebtder Inselflieger an. Größere Propellerflugzeuge und Jets sind vor demAufsetzen meist mehr als doppelt so schnell.
Die längste Start- und Landebahn auf Helgoland misst nur 480Meter. Zwei weitere Pisten sind 370 oder 260 Meter kurz. DerFlugplatz liegt auf der 0,7 Quadratkilometer großen Badedüne nebender Hauptinsel. Zum Vergleich: Auf kleinen Flugplätzen an Land sindStartbahnen meist 500 bis 1000 Meter lang, an großenVerkehrsflughäfen 3000 bis 4000 Meter. Da erinnert Helgoland wirklicheher an die knappen Platzverhältnisse auf einem Flugzeugträger: NachAngaben der amerikanischen Marine ist zum Beispiel die USS Nimitz 332Meter lang, das Flugdeck maximal 76 Meter breit.
Fangseile und Katapultstart gibt es auf Helgoland nicht - einzigesHilfsmittel ist manchmal der starke Wind. Er verringert dieGeschwindigkeit über Grund und verlängert das Zeitfenster fürsAufsetzen. Außerdem verkürzt sich bei kräftigem Gegenwind dieRollstrecke beim Start, wichtig für den Auftrieb ist allein das Tempoim Vergleich zur anströmenden Luft.
Auch wenn Inselflüge in 1000 Metern über der Meeresoberfläche vonHelgoland nach Hamburg führen, ist die Flugsicherheit auf gleicherHöhe wie bei Reisen mit Airbus oder Boeing 12 000 Meter über demBoden. So werden zum Beispiel alle Flüge auf die Hochseeinsel vomLotsen in Bremen per Radar überwacht. Die Islander ist außerdem sokonstruiert, dass sie auch beim Ausfall eines Motors nur mit derKraft des zweiten Antriebs sicher ihr Ziel erreicht. Nach Angaben derHerstellerfirma wurden bisher mehr als 1200 Islander gebaut und sindrund um die Welt im Einsatz. Seit dem Jungfernflug des erstenPrototypen im Jahr 1965 wurde die Islander mehrfach überarbeitet undmodernisiert.
Besonders viel Aufwand wurde in den Lärmschutz investiert: KleineReise- und Transportflugzeuge sind inzwischen meist leiser als derVerkehr auf einer Durchgangsstraße. Außerdem sind die Anflugroutenauf die Inselflugplätze so gestaltet, dass Wohlgebiete so wenig wiemöglich überflogen werden. An vielen Flugplätzen herrscht zusätzlichnoch eine Mittagsruhe. Tiefflüge über Seehundbänke oderVogelschutzgebiete sind ebenfalls tabu.
Die kurzen Linienflüge auf die Nordseeinseln sind nicht nurschnelle Reisemöglichkeit für Touristen. Werden Insulaner oderKurgast krank, ist der Flug eine Alternative zur stundenlangenSchiffsreise. Vom fliegenden Arztservice profitieren nach Angaben vonHelmers aber nicht nur die menschlichen Bewohner Helgolands: «DieInsel gehört ja zum Landkreis Pinneberg, da bringen wir auch oft denKreistierarzt auf die Insel.»