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Osterspiel Licht aus dem Heiligen Grab soll Finsternis vertreiben

In Gernrode wird nach der pandemiebedingten Pause am Sonntag wieder ein besonderes Osterspiel aufgeführt. Dass die mittelalterliche Tradition überhaupt wieder aufgenommen werden konnte, verdankt die Kirchgemeinde einem überraschendem Fund.

Von dpa 04.04.2023, 06:21
Blick auf eine Außenwand des Heiligen Grabes in der romanischen Stiftskirche St. Cyriakus.
Blick auf eine Außenwand des Heiligen Grabes in der romanischen Stiftskirche St. Cyriakus. Matthias Bein/dpa/Archivbild

Gernrode - Am frühen Sonntagmorgen wird die dreischiffige Stiftskirche in Gernrode (Landkreis Harz) erfahrungsgemäß bis auf den letzten Platz gefüllt sein. „Nach zweijähriger Corona-Pause werden wir ab 6 Uhr wieder das Osterspiel aufführen“, sagt Gemeindepfarrer Andreas Müller. Die Nachfrage an dem österlichen Gottesdienst sei groß. Täglich riefen Interessierte im Gemeindehaus an, denen ein rechtzeitiges Kommen empfohlen werde.

Den Ablauf des mittelalterlichen Osterspiels haben die Mitwirkenden in den vergangenen Tagen mehrfach geprobt. Die Darstellung der Auferstehung Christi in der romanischen Stiftskirche erfolgt nach einer eigens für das Gotteshaus geschriebenen Liturgie. Eine zentrale Rolle dabei hat der Nachbau des Heiligen Grabes, welches vermutlich noch vor dem ersten Kreuzzug nach Pilgeraufzeichnungen errichtet worden ist. Da das Original bei der Eroberung von Jerusalem im Jahr 1096 zerstört wurde, ist diese Kopie in Gernrode wahrscheinlich die älteste Nachbildung des Grabes Christi nördlich der Alpen.

Es sei immer wieder ein ganz besonderer Moment, wenn am frühen Ostersonntag ein heller Lichtstrahl aus dem Heiligen Grab in die dunkle Stiftskirche dringt, erzählt der Pfarrer. Auch Kirchenmusikdirektor Eckhart Rittweger, seit vielen Jahren für die Aufführung des Osterspiels verantwortlich, ist ein wenig aufgeregt und hofft, „dass auch alles reibungslos funktioniert“.

Dass die mittelalterliche Tradition des Osterspiels überhaupt wieder aufgenommen werden konnte, verdankt die Kirchgemeinde einem überraschendem Fund. 1979 wurde in Berlin eine Pergamenthandschrift, eine Abschrift eines Originals aus dem 11. Jahrhundert, entdeckt. In diesem Dokument aus dem Jahr 1502 ist der Ablauf des Osterspiels detailliert für die Stiftskirche Gernrode beschrieben. „Zehn Jahre nach der Wiederentdeckung - noch in der DDR - gab es erstmals nach langer Zeit Ostern wieder eine Aufführung“, berichtet Andreas Müller.

Der Ablauf, ja sogar die Bekleidung der 20 Mitwirkenden, gehen dabei auf die Originalbeschreibung zurück. Darin steht auch, dass sich die zehn Männer und Frauen auf den zehn Stufen bis zum Altarraum nebeneinander aufreihen. „Nachdem das Feuer der Osterkerze auf ihre Kerzen übertragen wurde, geht die Gruppe durch die Kirche und bringt symbolisch das Licht des auferstandenen Jesus in die Dunkelheit“, sagt Müller. Wenn aus dem Heiligen Grab ein heller Lichtstrahl dringe und dieses Osterlicht die Finsternis vertreibe, „dann wissen die Gottesdienstbesucher: Jesus Christus ist auferstanden.“

Die Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode gilt als eines der wichtigsten Denkmäler deutscher Romanik und ist das einzige nahezu unverändert gebliebene Bauwerk aus ottonischer Zeit. Mehr als 17.000 Besucher kamen im Vorjahr in die 959 errichtete Kirche.