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Musikstudent einziger Bewohner Leben in „Deutschlands kleinstem Studentenwohnheim“

Frühstück mit Flaschenzug, Musizieren im Mini-Turm: Wie ein Student in Osnabrück in einem gerade mal 19 Quadratmeter großen Wohnheim lebt – und wie viele Gäste in seine winzige Küche passen.

Von Elmar Stephan, dpa 29.10.2025, 04:30
Für Musikstudent Vincent Jeremies ist ein Traum wahr geworden, als er den Wohnplatz in dem gerade einmal 19 Quadratmeter großen Wohnheim bekam.
Für Musikstudent Vincent Jeremies ist ein Traum wahr geworden, als er den Wohnplatz in dem gerade einmal 19 Quadratmeter großen Wohnheim bekam. Jörn Hüneke/dpa

Osnabrück - Wenn Vincent Jeremies in seiner Küche steht und aus dem Fenster schaut, blickt er in grüne Baumkronen. Wenn er sich dann zum Frühstücken an den Tisch setzen will, muss er diesen erst von der Decke herunterlassen. Und möchte der Musikstudent auf dem Klavier üben, das auf der anderen Zimmerseite steht, muss er den Tisch wieder nach oben ziehen. Laut Studierendenwerk Osnabrück ist Jeremies Zuhause Deutschlands kleinstes Studentenwohnheim.

Für ihn sei ein Traum wahr geworden, als er den Wohnplatz in dem gerade einmal 19 Quadratmeter großen Wohnheim bekommen habe, erzählt der 22-Jährige. Das Mini-Haus steht auf den Grundmauern eines früheren Wehrturms aus dem 12. Jahrhundert und liegt zentral in der Osnabrücker Innenstadt, nur wenige Meter vom Stadthaus und seiner Hochschule entfernt. Sozusagen ein frühes Tiny House.

Drei Etagen, drei Räume

Die Aufteilung ist einfach: drei Etagen, drei Räume – oder zumindest so ähnlich. Unten, direkt hinter der Eingangstür, befindet sich das Bad. Schlängelt man sich eine winzige Wendeltreppe hoch, blickt man in der Mitte des Gebäudes auf ein Bett, das im Prinzip den gesamten Raum einnimmt. 

Ganz oben spielt sich der Rest des Wohnens und Lebens ab: Auf der einen Seite steht die winzige Küchenzeile mit Kühlschrank, Spüle und Mini-Herd, auf der anderen Seite steht das Klavier. Ein an vier Flaschenzügen aufgehängte Holzbrett dient als Tisch, der nach oben gezogen wird, wenn Jeremies ihn nicht braucht. Die Vorrichtung habe er zusammen mit einem Kumpel gebaut. 

„Ich wache jeden Morgen entweder vom Vogelgezwitscher auf oder von Leuten, die unten die Denkmaltafel laut vorlesen“, erzählt Jeremies. Denn das Studierendenwerk als Eigentümerin hat unten direkt am Fußweg, der an dem Türmchen vorbeigeht, eine kleine Infotafel zum kleinsten Studentenwohnheim Deutschlands angeschraubt.

Wenn viele Gäste kommen, zieht der Gastgeber den Tisch hoch

Platz ist bekanntlich in der kleinsten Hütte, und das gilt auch für das Tiny-Studentenwohnheim in Osnabrück. In der etwa sechs Quadratmeter großen Küche habe er schon einmal 15 Gäste gehabt, erzählt Jeremies. Dabei sei der Tisch natürlich nach oben gezogen gewesen. 

Weil er keinen Keller hat, habe er sich auch den Dachboden ausgebaut. „Vorher waren hier nur die Balken und eine sehr hohe Decke“, erzählt der Student. Dadurch sei beim Heizen auch immer die Wärme weggegangen. Auf dem Dachboden hat er auch eine Matratze gelegt – als Gästebett, wenn mal jemand übernachten will.

Fußgänger werden zu Spontanbesuch eingeladen

Obwohl viele Fußgänger vor dem urigen Fachwerkbauwerk mit den roten Dachziegeln und blauen Fensterläden stehenbleiben und die Infotafel lesen, würden sich die wenigsten auch trauen, anzuklopfen. „Ich hab's schon ein paar Leuten angeboten, auch Gruppen, kommt mal rein, ich zeig' Euch mal die Hütte“, erzählt der Student. Die Zufallsgäste seien total begeistert gewesen. Zum Teil seien es Menschen aus der Umgebung gewesen, die schon seit dreißig Jahren in der Nähe wohnen, aber noch nie in dem kleinen Turm waren.

Jeremies ist in Greifswald geboren, in Berlin aufgewachsen und im Jugendalter nach Osnabrück gekommen, wo er das Abitur gemacht hat. Auf das Häuschen auf der Stadtmauer sei er damals schon aufmerksam geworden. Als Student habe er dann auf der Wohnheimliste des Studentenwerks nachgeschaut – und sich beworben. 

Allerdings hätte er sich noch einmal zurückmelden müssen, ob der Wunsch noch aktuell war. „Das hatte ich aber total verpeilt“, erzählt der junge Mann. Der Rückruf wäre kurz vor Weihnachten fällig gewesen. Dass er hätte anrufen müssen, sei ihm erst Mitte Januar siedend heiß eingefallen. Aber Jeremies hatte Glück: Im Spätsommer konnte er einziehen.

Studierendenwerk führt lange Warteliste 

Das Studierendenwerk Osnabrück habe das Gebäude im Jahr 1995 von der Stadt übernommen, sagt Martina Marek, die die Abteilung studentisches Wohnen leitet. „Die Nachfrage nach diesem Objekt ist groß“, erklärt sie. Aktuell stünden mehr als 60 Personen auf der Warteliste. Die Miete beträgt 295 Euro im Monat.