Kurios Kurios: Wenn Herr Henker Richter wird

Hannover/dpa. - Mit seinem Nachnamen hat Detlev Schneeweiseine blendende Berufswahl getroffen - er ist Zahnarzt. Nicht bei allseinen Kollegen wird der Nachname zu einem echten Aushängeschild: InDeutschland praktizieren auch die Dentisten Schlotter, Bammel undGammel. Auch fern der Zahnarzt-Branche erscheinen Kombinationen ausFamilienname und Beruf bisweilen bemerkenswert: Zum Beispiel beimArchitektenbüro «Bier und Korn». Oder beim Fachhandel «Reifen Platt».An eine Namensänderung, sagen die Betroffenen, haben sie aber nochnie gedacht. Das gilt sogar für Joachim Henker - der Richter wurde.
Dabei hat der Namens-Umtausch keine großen Hürden. Tausende lassenjedes Jahr ihren Namen ändern, weil sie ihn einfach leid sind. Alleindie Stadt Hannover hat seit 2003 rund 150 neue Vor- und Nachnamen proJahr vergeben. Sogar «Sammelnachnamen» wie Müller oder Meyer dürfenumgetauscht werden. Anrüchiges oder eine komplizierte Aussprache sindweitere Beispiele, bei denen das Namensänderungsgesetz greifen kann.
Eine zentrale Statistik über geänderte Namen gibt es nach Angabendes Bundesverbandes Deutscher Standesbeamtinnen und Standesbeamten(BDS) nicht. «Namensänderungen sind stark zurückgegangen. Das hängtaber vor allem mit neuen Gesetzen für Stiefkinder zusammen», erklärtWalter Großmann, BDS-Dozent für Namensrecht aus Aschaffenburg. DieZahl der übrigen Namensänderungen sei konstant, vermutet der Experte.Oft sei der Beruf der Betroffenen Anlass, den alten Namen abzulegen.
Dazu hätte etwa ein Herr Henker, der Richter wurde, allen Grund.«Aber so wild war das mit dem Namen bei mir eigentlich gar nicht»,sagt Joachim Henker aus dem bayrischen Weißenburg. Der 87-Jährige warbis zu seiner Pensionierung Vizepräsident am Landesarbeitsgericht.«Das Bild des Henkers ist aus dem Denken der Leute doch längstverschwunden. Die Todesstrafe haben wir ja nicht mehr», sagt derpromovierte Jurist. Dumme Sprüche habe er sich nie anhören müssen.
Detlev Schneeweis, der Zahnarzt aus Hamburg, hat da gut Lachen.Neue Patienten sprächen ihn oft begeistert auf seinen Namen an.«Bevorzugt werde ich dadurch aber nicht», sagt der Mediziner. «Auchwenn der nächste Zahnarzt drei Straßen weiter Dr. Knüppel heißt»,meint Schneeweis, an dessen Namensende streng genommen ein «ß» stehenmüsste, um die Anspielung auf strahlendes Zahnweiß perfekt zu machen.
Ähnlich gute Karten hat Schneeweis' Kollegin Monika Zahn ausBerlin. «Ich habe in den Namen Zahn hineingeheiratet, als ich schonZahnärztin war», erklärt sie den Glücksfall und setzt noch einendrauf: «Meine Schwiegermutter ist eine geborene Mund.»
Reinhard Platt aus dem hessischen Langenselbold hat seinen Namenganz gezielt genutzt: «Reifen Platt» heißt seine 2000 gegründeteFirma. «Das ist doch eine Sache, die relativ gut in den Köpfen haftenbleibt», begründet der Unternehmer seine Entscheidung. Bei den Kundenkäme der Firmenname durchweg positiv an. «Und wenn ich die Zuliefereranrufe, wissen die auch immer sofort, mit wem sie es zu tun haben.»
Äußerst einprägsam ist auch die Kombination aus «Bier und Korn».Helmut Bier und Hans Korn begegneten sich bereits im Studium. Das vonihnen in München gegründete Architektur-Büro hatte anfangs noch einendritten Partner. Aus «Bier, Korn, Zeitler» wurde später «Bier undKorn». «Klar, dumme Sprüche müssen wir uns bei dem Namen schongefallen lassen», sagt Bier. «Aber das nehmen wir mit Gelassenheit.»
Ein echter Namen-Profi ist Prof. Jürgen Udolph. Der Namensforscherlehrt an der Uni Leipzig. Früher habe es nur Vornamen gegeben, sagtder Wissenschaftler. Das habe mit Beginn des 11. Jahrhunderts nichtmehr ausgereicht, als die Menschen immer mehr und immer mobilerwurden. «Wenn ein Reisender nach Karl fragte, bekam er zu hören, ober Karl den Lahmen, Karl den Bauern oder Karl den Schmied meine.»
Es gebe vier große Felder, aus denen die meisten Nachnamenstammten. Nummer eins: Vornamen der Eltern. Der Sohn von Peter etwawurde zu Peterson. Zweitens: Berufsgruppen. So entstanden Müller,Schneider und Fischer. Feld drei: Eigenschaften. «Diese Namen heißen"Übernamen", weil sie etwas "über" die Person verraten», erklärtUdolph. Klein und Groß sind Beispiele - aber auch «Krause» alsAnspielung auf die Haare. Feld vier: Herkunftsnamen. So entstandenFamiliennamen wie Nürnberger, Berliner oder Bayer.