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Kriminalität Kriminalität: Racheengel oder Mörderin?

Von Eva-Maria Mester 12.09.2006, 07:09

Lübeck/dpa. - Dieserspektakuläre Fall von Selbstjustiz machte die Gastwirtin aus Lübeckvorübergehend zum Medienstar. Später kehrte sie der Stadt den Rückenund kam erst im Angesicht des Todes zurück. Vor zehn Jahren, am 17.September 1996, starb Marianne Bachmeier in einer Lübecker Klinik.

Lange dunkle Haare, große Augen, Schmollmund - Marianne Bachmeierwar eine gut aussehende Frau und wusste ihre Schönheit medienwirksameinzusetzen. Nach den Schüssen im Gerichtssaal und ihrer Entlassungaus dem Gefängnis tingelte sie durch Talkshows, gabPressekonferenzen, schrieb ein Buch. Ihr Leben wurde mehrfachverfilmt, selbst ihr Tod wurde zum Stoff für einen Fernsehfilm. Dasalles hat ihr den Vorwurf eingetragen, berechnend zu sein und imMittelpunkt stehen zu wollen.

30 Jahre alt war Bachmeier, als sie am 6. März 1981 imSchwurgerichtssaal des Lübecker Landgerichts den Schlachter KlausGrabowski mit sechs Schüssen tötete. Es war der dritte Tag derHauptverhandlung gegen Grabowski. Der einschlägig vorbestrafte 35-Jährige stand wegen des Verdachts vor Gericht, Bachmeierssiebenjährige Tochter Anna vergewaltigt und erwürgt zu haben. Im März1983 wurde Marianne Bachmeier wegen Totschlags zu sechs Jahren Haftverurteilt. Über den Prozess berichteten mehr als 100 Journalisten.Im Zuschauerraum saßen vor allem Frauen, von denen viele behaupteten:«Ich hätte an ihrer Stelle das Gleiche getan.»

Nicht nur der bis dahin in Deutschland einmalige Fall vonSelbstjustiz spaltete die Öffentlichkeit, sondern auch die PersonBachmeiers. Sie wurde 1950 in Sarstedt in Niedersachsen geboren,besuchte dort die Realschule. Mit 16 bekam sie ihre erste Tochter,die sie ebenso wie ihr zweites Kind zur Adoption freigab, weil siesich der Verantwortung nicht gewachsen fühlte. 1973 kam Anna zurWelt. In Lübeck betrieb Bachmeier das «Tipasa», eine urigeStudentenkneipe in der Altstadt, die es noch heute gibt.

Wegen Selbstmordgefahr verbringt Bachmeier rund eineinhalb Jahreihrer Haftzeit in einer psychiatrischen Klinik. Doch auch nach ihrervorzeitigen Haftentlassung im Juni 1985 kommt sie nicht zur Ruhe. Sieheiratet einen Afrikaner, zieht mit ihm nach Lagos in Nigeria. DieEhe wird 1990 geschieden. 1991 geht Bachmeier nach Süditalien. Ineinem Hospiz in Palermo betreut sie Sterbende. Sie schreibt eineAutobiografie, sagt, sie wolle nie mehr nach Lübeck zurückkehren,weil sie dort immer nur Annas Mutter sei.

Auch heute, zehn Jahre nach ihrem Tod, ist sie in der Stadtbekannt als Annas Mutter, die den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochtererschoss. Und auch heute noch sagen viele Mütter: «Das hätte ich auchgetan.»