Kriminalität Kriminalität: Justiz bereitet Spekulationen im «Fall Gsell» Ende
Nürnberg/dpa. - Er sei nicht an den Folgen des Raubüberfallsgestorben, sondern einem tödlichen Virus erlegen. Es wurde sogarspekuliert, Gsell sei in Geldnot gewesen und deshalb selbst an derTat beteiligt gewesen.
Seit der Festnahme von Gsells Witwe Tatjana im April hüllten sichdie Behörden aus ermittlungstaktischen Gründen größtenteils inSchweigen. Erst am Donnerstag bereitete Justizsprecher BernhardWankel allen Spekulationen ein Ende: Der Überfall vom 5. Januar, andessen Folgen der Arzt am 26. März starb, war weder Auftragsmord nochTotschlag, hieß es in einer «klarstellenden Pressemitteilung». DasOpfer Franz Gsell war auch nicht in die Tat verwickelt. Auch einebenfalls inhaftierter Staatsanwalt aus Hof und Jugendfreund der«Busen-Königin» sei «weder Initiator noch Drahtzieher» der Tatgewesen, ließ die Justiz wissen.
Schon Tags zuvor trat Tatjana Gsell (32) über ihren Anwalt MarkusHennig «dem Gerücht einer angeblichen Homosexualität ihresverstorbenen Ehemannes mit aller Entschiedenheit entgegen». Sieverwahre sich auch gegen die ehrverletzende Behauptung, ihre Ehe wärenur eine Scheinehe gewesen, hieß es da. Als böswillige Falschmeldungbezeichnete Hennig auch Berichte, wonach die Polizei mittlerweilesogar im «Strichermilieu» ermittelt habe.
Justizsprecher Wankel stellte ausdrücklich klar, dass dieErmittlungen keinerlei Hinweise auf homosexuelle Neigungen des ArztesGsell ergeben hätten. Spekulationen über Täter aus dem«Strichermilieu» entbehrten jeder Grundlage. «Dr. G. war in keinerWeise finanziell beengt», schrieb Wankel in der siebenseitigenErklärung zum Stand der Ermittlungen. Noch wenige Wochen vor demÜberfall soll er 50 000 Euro Schulden beglichen haben, die beimmehrmonatigen Aufenthalt seiner Frau mit deren Freund, eineminsolventen Düsseldorfer Unternehmer, im spanischen NobelferienortMarbella angefallen waren.
Wenn jemand in Geldnot war, dann Tatjana Gsell selbst. «DieBeschuldigte war Ende 2002/Anfang 2003 finanziell am Ende»,berichtete Wankel über ihr mögliches Motiv, sich durch den fingiertenAutodiebstahl und geplanten Versicherungsbetrug Geld zu beschaffen.So soll Tatjana Gsell geplant haben, ihren Sportwagen im Wert vonrund 100 000 Euro von zwei beauftragten Autoschiebern stehlen zulassen und dafür von diesen 30 000 Euro zu kassieren. Darüber hinauswollte sie noch die Versicherungssumme einstecken. «Die weiterefinanzielle Versorgung der Beschuldigten war nicht gesichert. Ihraktueller Lebenspartner, der insolvente Mitbeschuldigte B. hatte keingeregeltes Einkommen und lebte, ebenso wie sein Sohn und seineMutter, von der Alimentierung der Beschuldigten durch ihren Ehemann»,heißt es in der Pressemitteilung der Justiz wörtlich.
Die 5. Strafkammer des Landgerichts milderte allerdings inzwischenden Vorwurf der Anstiftung zum Raub mit Todesfolge gegen TatjanaGsell ab. Seit Anfang Juli ist nur noch von gemeinschaftlicherNötigung und gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge dieRede. Tatjanas Jugendfreund stuft die Staatsanwaltschaft lediglichals «willfährigen Gehilfen» ein. Der Jurist habe seine dienstlichenKontakte aus einem Autoschieberprozess in Hof - entgegen denGerüchten - nicht ausgenutzt. Der 32-Jährige sei lediglich am Tag desÜberfalls auf Franz Gsell vor dessen Villa gewesen, um das Geld inEmpfang zu nehmen, das die beauftragten Autoschieber der klammenSociety-Lady zugesagt hatten.
Gsells Anwalt Markus Hennig wies unterdessen die Behauptungen derJustiz als «höchst spekulativ» zurück. Die Hauptlinien imErmittlungsverfahren seien nach wie vor nicht abgeklärt.