Kriminalität im Filmbusiness Kriminalität im Filmbusiness: Der Coup mit Kinox.to

Ludwigsburg - Es musste schnell gehen: Am 29. Oktober, einem Mittwoch, nehmen Polizisten zwei Männer in Nordrhein-Westfalen fest, während eine Spezialeinheit zur gleichen Zeit ein unscheinbares Reihenhaus in Pansdorf in Schleswig-Holstein stürmt. Schwer bewaffnete Polizisten brechen durch die Haustür und durchsuchen das Kinderzimmer, doch die Gesuchten sind über alle Berge.
Es sei nicht leicht gewesen, den beiden überhaupt auf die Spur zu kommen, sagt der Dresdner Oberstaatsanwalt Wolfgang Klein. „Sie waren vorher nie aufgefallen, sie lebten nicht auf großem Fuß, sie haben ihr Geld nicht gezeigt.“
Die zwei Brüder, nach denen nun europaweit gefahndet wird, heißen Kastriot und Kreshnik Selimi, der eine ist 25, der andere 21. Kastriot kam im Kosovo zur Welt, sein jüngerer Bruder in Schweden, nachdem die Eltern vor dem jugoslawischen Bürgerkrieg geflohen waren. Beide Männer gelten als gewaltbereit, die Polizei warnt, sie könnten Schusswaffen besitzen.
Es geht um Millionenbeträge
Die Selimis sollen enorm kreative Netzkriminelle sein: Vom Kinderzimmer im Elternhaus bei Lübeck sollen die beiden das illegale Raubkopienportal kinox.to sowie die Portale freakshare.com und bitshare.com betrieben und nebenbei Straftaten wie räuberische Erpressung, Nötigung, Brandstiftung und Steuerhinterziehung begangen haben.
Oberstaatsanwalt Klein spricht von einem „neuen Tätertyp“: Zwei junge Männer, die sehr zurückgezogen und unauffällig lebten, aber eine Menge Geld anhäuften, das sie wahrscheinlich anlegten, um mehr „Marktmacht“ zu erlangen. Es gehe um Millionenbeträge, so der Ermittler. Allein die Steuerschuld der beiden liege bei etwa 1,3 Millionen Euro.
Aber die beiden sollen nicht nur im Netz, sondern auch im richtigen Leben unterwegs gewesen sein: Mit Methoden gewöhnlicher Schwerkrimineller sollen sie versucht haben, sich Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Es soll Morddrohungen gegeben haben, in einem Fall brannte ein Auto ab.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, auf welche Arten man im kriminellen Filmbusiness reich werden kann.
Angeblich wollten die beiden ein Imperium, basierend auf Raubkopiererei, aufbauen: Die Brüder gelten auch als Betreiber des Portals „movie4k.to“, der deutschen Portale „mygully.com“ und „boerse.sx“, außerdem von „stream4k.to“ und „shared.sx“, zwei Filehostern, die sich auf die Speicherung von Raubkopien spezialisiert haben. In der Regel gibt es zwei Arten, im kriminellen Filmbusiness reich zu werden: Man vertreibt die illegalen Mitschnitte per Abo. Das zweite Geschäftsmodell funktioniert über bezahlte Werbebanner. Laut Oberstaatsanwalt Klein aus Dresden hat allein das Portal kinox.to zwei Millionen Besucher. Pro Tag. Kinox.to und Movie4k.to verlinken die Filmsuchenden auf mehr als 1,3 Millionen Filme, Movie4k.to auf etliche Hunderttausend. Natürlich sind gefragte Blockbuster darunter. Die Nutzer wähnen sich geschützt in einem juristischen Graubereich, weil umstritten ist, ob sie belangt werden können, wenn sie „streamen“ und sich eben keine Kopien herunterladen.
Verbindungen in die Unterwelt
Die Brüder sind über alle Berge. Es gebe keine heiße Spur, sagt Klein. Das Portal Kinox.to gibt es allerdings immer noch: Die Brüder haben die Passwörter mitgenommen, ohne sie ist es unmöglich, Filmportale abzuschalten. Für die Ermittler in Dresden hat die Vorgehensweise der Brüder eine neue Qualität: Netz und reale Welt treffen sich. Waffen kommen ins Spiel. Angeblich gibt es Verbindungen in die russische Unterwelt.
Bei Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Betreiber der Online-Tauschbörse Boerse.bz hat es Hausdurchsuchungen in 14 Bundesländern gegeben. Mehr als 121 Objekte wurden durchsucht, sagte gestern ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln. Es sei niemand festgenommen worden. Die Website sammelt Links zu illegalen Downoads. (dpa)
Spuren führen nicht nur nach Pansdorf oder Leipzig, wo sie das 2011 von der Polizei geschlossene Vorgängerportal kino.to übernommen und umbenannt haben sollen. Es gebe Verbindungen nach Zypern, in die USA, auf die Jungferninseln. „Das ist die organisierte Kriminalität der Zukunft“, sagt Klein.
Zwar machten die Männer im Internet Geld, sie selbst aber sind dort unauffindbar. Wahrscheinlich ist dies ein Grund, warum die Ermittler ihnen so schwer auf die Spur kamen: Im Januar 2013 standen schon einmal Polizisten in dem Reihenhaus in Pansdorf. Sie waren auf der Suche nach Raubkopien und konnten nicht ahnen, wo sie gelandet waren. Sie fanden im Kinderzimmer eine Pistole, Munition und eine Menge Festplatten. Aber es sollte ein ganzes Jahr dauern, bis Experten die verschlüsselten Informationen entziffert hatten.
Nun sind die beiden auf der Flucht. Wo die vermuteten Millionen versteckt sind, ist auch völlig unklar. Nur bei einer Sache ist sich Oberstaatsanwalt Klein gewiss: „Dieser Tätertyp wird uns sicher noch über Jahre begleiten.“

