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Krawalle in London Krawalle in London: Sparkurs der Cameron-Regierung sorgt für Frust

Von Jodie Ginsberg 09.08.2011, 14:40

London/rtr. - Zugleich zwingt der Sparkursder konservativ-liberalen Regierung von Premierminister DavidCameron viele Kommunen, bei ihren Arbeits- und Sozialprogrammenzu streichen. Am Wochenende rückte Tottenham dann schließlichdoch ins Rampelicht, wenn auch anders als von Lammy erhofft.

Zwar haben viele Politiker, darunter auch Lammy, kriminelleBanden für den Gewaltausbruch und die Plünderungen dervergangenen Tage verantwortlich gemacht. Doch nach Einschätzungvon Sozialwissenschaftlern und Anwohnern haben die Krawalleihren Ursprung auch in der wachsenden Perspektivlosigkeit vielerMenschen in Großbritannien. Die hohe Arbeitslosigkeit beiJugendlichen und die Langzeitarbeitslosigkeit in derUnterschicht führen zusammen mit den jüngsten Einschnitten imSozialsystem zu wachsenden gesellschaftlichen Spannungen, diesich plötzlich in Form von Krawallen entladen.

"Es geht hier nicht in erster Linie um Rasse, Religion oderKlasse", erläutert der Sozialwissenschaftler Mike Hardy, Leiterdes Instituts für kommunale Integrationsstudien. "Es gehtschlicht und einfach um all jene, die sich von der Gesellschaftausgeschlossen fühlen." Die hohe Arbeitslosigkeit in einigenStadtteilen Londons schaffe zusammen mit den Einschnitten beiInstrumenten zur Integration ins gesellschaftliche Leben einUmfeld, in dem sich immer mehr Menschen abgekoppelt undbenachteiligt fühlten.

Die Sozialarbeiterin Erika Lopez gibt dem Wissenschaftlerrecht. Zwar seien die Krawalle und Plünderungen in Tottenham undanderen Stadtteilen völlig inakzeptabel. Wegen der Sparzwängeseien die Kommunen aber zu Einschnitten gezwungen, die eineIntegration von Armen so gut wie unmöglich machten. "Besondersin den Sommerferien bekommen dies die Jugendlichen zu spüren",sagt Lopez. "Es fühlt sich an, als hätten sie einem etwasweggenommen, was wichtig ist." So wurde allein in Tottenham undUmgebung das Budget für Jugendarbeit seit Jahresbeginn um 75Prozent zusammengestrichen. In den nächsten drei Jahren muss derStadtrat 84 Millionen Pfund einsparen.

"Wir bekommen keine Hilfe und dann wundern sich alle, wennes plötzlich knallt", sagt auch der 26-jährige Jason, der mit 16Jahren die Schule in Tottenham abbrach und seitdem keine Arbeithat. Den meisten seiner Freunde in dem nördlichen Bezirk gehe esähnlich. "Wir haben einfach keine Perspektive. Wir scheinen nurals Verlierer geboren zu sein."

Im südlichen Bezirk Brixton sieht die Lage kaum anders aus."Ich habe keine Sympathien mit den Randalierern, aber die Leutehaben keine Ahnung wie es ist, wenn man ohne Vater aufwächstoder Deine Eltern Dir nicht einen gut bezahlten Job zuschanzenkönnen", sagt der 31-jährige Handwerker Michael, der vergeblichnach einer Stelle sucht. Die Schließung von Jugendzentren treffediese Kinder und Jugendlichen hart. "Genau das sorgt für Frust."

Viele Anwohner befürchten, dass die Krawalle keine Ausnahmebleiben und sich sogar ausweiten könnten. "Die Spannungen nehmenwegen der Einschnitte durch die Regierung zu", sagt etwa derArbeitslose Scott Allen. Immer mehr Menschen in London undanderen Teilen des Landes fühlten sich benachteiligt.