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Kosten für die Heimunterbringung Kosten für die Heimunterbringung: Kinder müssen auch für Rabeneltern zahlen

12.02.2014, 10:49

Karlsruhe - Erwachsene Kinder müssen die Heimkosten von Mutter und Vater selbst dann tragen, wenn die Eltern seit Jahrzehnten jeden Kontakt verweigert haben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch entschieden. Ein Beamter aus Bremen muss daher 9000 Euro an das Pflegeheim seines mittlerweile gestorbenen Vaters zahlen. Beide hatten seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr - auf Betreiben des Vaters, der seinen Sohn sogar enterbt hatte. Dennoch sei der Anspruch auf Elternunterhalt hier nicht verwirkt, stellte der BGH fest.

Das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt in Paragraf 1601 vor: „Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.“ Und der Paragraf 1602 legt fest: „Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.“

Der typische Fall ist die Finanzierung eines Platzes in einem Pflegeheim. Je nach Pflegestufe kostet die Unterbringung derzeit im Schnitt rund 3 300 Euro. Die Pflegeversicherung übernimmt davon aber maximal 1 510 Euro. Bleibt eine Lücke von etwa 1 800 Euro. Die Rente der Eltern reicht oft nicht aus, diese Differenz auszugleichen. Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren 2012 rund 439 000 Menschen auf eine zusätzliche Unterstützung angewiesen. Zwei Drittel der Empfänger waren Frauen, die im Schnitt 79 Jahre waren. Die Mehrheit aller Empfänger der Hilfe zur Pflege lebt in einem Pflegeheim.

Für den Fall, dass die Eltern die Kosten für einen Platz in einem Pflegeheim nicht aus eigener Tasche bezahlen können, müssen sie beim örtlichen Sozialamt zusätzliche Leistungen beantragen. Der Sozialhilfeträger rechnet dann aus, wie viel Geld die Kinder dazugeben müssen. In der Praxis geht das Sozialamt aber häufig in Vorleistung und holt sich das Geld anschließend von den Kindern zurück.

Die Höhe der Zahlungen hängt von der Leistungsfähigkeit der Kinder ab. Zu ihrem Einkommen zählen Bruttogehalt, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträge. Wer in einer selbst genutzten Immobilie wohnt, muss bei Berechnung der Leistungsfähigkeit außerdem den sogenannten Mietvorteil draufschlagen. Davon werden dann Steuern und Sozialversicherungsabgaben abgezogen, aber auch Schulden und Kredite oder weitere Belastungen wie Ausgaben für Kinderbetreuung oder berufsbedingte Aufwendungen.

Nein. Die Mitfinanzierung des Heimplatzes der Eltern darf nicht die eigene Existenz gefährden. Auch der gewohnte Lebensstandard soll durch die Unterstützung nicht zu sehr eingeschränkt werden. Doch der Selbstbehalt für die Kinder ist nicht sehr hoch, er beträgt 1 600 Euro im Monat für Alleinstehende. So viel Geld muss dem Kind also monatlich zum Leben bleiben. Bei einer Familie kommt zum eigenen Selbstbehalt noch der Unterhaltsbedarf für den Ehemann und die Kinder hinzu.

Nicht alles darf angetastet werden. Deshalb ist ein sogenanntes Schonvermögen vorgesehen. So darf niemand gezwungen werden, die eigene Altersvorsorge zu verbrauchen, um den Heimplatz seiner Eltern zu bezahlen. Zum Schonvermögen zählen auch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber eigenen Kindern, laut Bundesgerichtshof (BGH) „angemessene selbst genutzte Immobilien“ und das eigene Auto. Kinder dürfen zur eigenen Altersvorsorge außerdem Geld zurückstellen. Pro Berufsjahr bleiben fünf Prozent des Bruttogehalts unangetastet. Ein Rechenbeispiel: Verdient jemand 60 000 Euro im Jahr, dann kann er 3 000 Euro im Jahr zurücklegen, bei 30 Berufsjahren macht das 90 000 Euro als unantastbares Erspartes für die eigene Altersvorsorge. Nach einem BGH-Urteil von 2006 zählen zum Schonvermögen auch Wertpapiere, Gold, Schmuck und Bargeld in „angemessener“ Höhe. Die Regelungen sind so streitanfällig, dass Betroffene einen Fachanwalt konsultieren sollten.

Unterhaltspflichtige Kinder zahlen anteilig. Die, die mehr übrig haben, müssen auch mehr zahlen. Bei Unterhaltsansprüchen kann sich das Sozialamt das Geld übrigens nicht von den Enkeln zurückholen.

Die Unterhaltspflicht entfällt nach Paragraf 1611 des Bürgerlichen Gesetzbuches komplett, wenn den Eltern eine „schwere Verfehlung“ gegen ihr Kind nachweisbar ist.

Der Grund für den Richterspruch: Der Beamte war schon volljährig, als sein Vater sich von ihm abwandte. Nach der Scheidung der Eltern 1971 hatten Vater und Sohn anfangs noch losen Kontakt. Doch bereits das bestandene Abitur des Sohnes ein Jahr später war dem Vater nur ein Achselzucken wert. Annäherungsversuche des Sohnes in den folgenden Jahren wehrte der Friseur stets ab, 1998 setzte er schließlich seine Lebensgefährtin als Erbin ein und enterbte sein Kind bis auf den sogenannten strengsten Pflichtteil.

Der bloße Kontaktabbruch gegenüber einem erwachsenen Kind sei zwar eine Verfehlung, urteilte der BGH. Es müsste jedoch mehr dazu kommen, damit der Anspruch auf Elternunterhalt verwirkt sei und damit nicht bestehe. Eine solche „schwere Verfehlung“ sahen die Richter im vorliegenden Fall jedoch nicht. Der Vater habe sich in den ersten 18 Lebensjahren um sein Kind gekümmert und damit in einer Zeit, in der eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich sei. Damit habe er seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt.

Die Richter gaben damit der Stadt Bremen recht. Diese hatte den Betrag von dem Beamten eingefordert. Die Stadt hatte die Heimkosten übernehmen müssen, nachdem die schmale Rente des Vaters dafür nicht mehr ausgereicht hatte. (dpa)