«Körperwelten» «Körperwelten»: Streit um Leichenschau läuft durch die Instanzen

München/dpa. - Den Streit um die Leichenschau «Körperwelten» in München müssen jetzt die Gerichte entscheiden. Nachdem Millionen Menschen die Leichenpräparate bereits unter anderem in Tokio, Wien, Basel, Köln und Berlin sehen konnten, hat die Stadt München die Ausstellung verboten. Der umstrittene Anatom Gunther von Hagens will nun die rechtlichen Mittel ausschöpfen. Die Stadt ist ihrerseits entschlossen, bis zur letzten Instanz zu ziehen.
Die Zeit ist knapp: Schon in einer Woche, vom 22. Februar an, soll die Ausstellung für das Publikum geöffnet sein. Die ersten plastinierten Leichenteile sind in München eingetroffen, darunter ein Penis. Die Einladungen sind verschickt, die Werbekampagne läuft. «Die Ausstellung wurde zum Welterfolg, weil sie die Herzen zu uns selbst öffnet», heißt es in dem Prospekt.
Der 57-Jährige Anatom, der wie Joseph Beuys mit Schlapphut auftritt und eine Leiche in Anlehnung an Bilder von Salvador Dali surrealistisch mit Schubladen ausgestattet hat, sieht sich als Aufklärer und Künstler. Die Körper der Toten seien nicht nur konserviert, sondern auch transformiert.
Vor zwei Jahren hatte von Hagens für seine Leichenschau sogar eine persönliche Einladung von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bekommen. Er würde sich freuen, wenn eine Präsentation auch in München gelingen würde, schrieb Ude damals in einem Brief, den die «Süddeutsche Zeitung» am Mittwoch in Auszügen veröffentlichte. Er habe sich damals nicht vorstellen können, dass die Plastinate echte Leichen seien, erklärt Ude jetzt. Er habe sich «als Laie gedacht, dass die Plastinate aus Plastik sind».
Die Schau umfasst mehr als 200 menschliche Dauerpräparate, darunter 20 ganze Körper. Zu den Objekten gehören ein «Schachspieler», ein «Fechter» und eine schwangere Frau. Bei der Plastination werden Körperwasser und -fett entfernt und gegen Kunststoffe ausgetauscht.
Die Objekte zeigten auch Verletzungen, die Menschen sich selbst zufügten, etwa durch Rauchen oder Alkohol, und sie wolle dem Schaudern vor dem Tod begegnen, hat Hagens Institut für Plastination in Heidelberg schon früher betont. So waren von Krebs befallene Organe zu sehen, durch Infarkte veränderte Herzkranzgefäße oder eine Schrumpfleber. «Die Demokratisierung der Anatomie hat begonnen», heißt es in dem aktuellen Prospekt.
Von Hagens wie auch die Stadt sehen die Verfassung auf ihrer Seite. Ein Verbot der Schau wäre verfassungswidrig, argumentiert von Hagens Institut und beruft sich auf die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Wissenschaft. Die Stadt hingegen sieht die Würde des Menschen verletzt und verweist auf das Bestattungsrecht, nach dem Leichen nicht öffentlich ausgestellt werden dürfen.
«Es gibt zweifelsohne Tabubrüche, die dem Leben dienen und die für die menschliche Kultur Fortschritte darstellen, aber es gibt eben auch Tabubrüche, bei den die Humanität verloren geht, bei denen eine Kultur der Würde zerstört wird», betont Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle. Dass die Schau in anderen deutschen Städten nicht verboten wurde, ändert für ihn nichts. «Zwei Städte haben überhaupt nicht geprüft, zwei sind zu dem Ergebnis gekommen, es sind keine Leichen.»
Eine Drohung, die plastinierten Leichen bei ihrer Ankunft in der bayerischen Landeshauptstadt zu beschlagnahmen, habe es entgegen mehreren Medienberichten nicht gegeben, betont Blume-Beyerle. Das Institut für Plastination hatte für diesen Fall von einer «verfassungswidrigen Enteignung» gesprochen und mit einem Schadenersatzprozess gedroht.
Von Hagens selbst ist inzwischen von seinen Plänen abgerückt, in München eine Leiche öffentlich zu sezieren. Wenn der Verstorbene zu Lebzeiten sein Einverständnis gegeben habe, «dann ist es würdevoll, diesen letzten Willen des Verstorbenen und seiner Angehörigen zu erfüllen», hatte er noch Ende November verkündet. Jetzt heißt es in Heidelberg lapidar, von Hagens habe die Sektion abgesagt - eine nähere Begründung gibt es dafür bisher nicht.