Kontroverse am Gartenzaun Kontroverse am Gartenzaun: Hickhack auf dem Hühnerhof
Leipzig/MZ. - Vor kurzem war wieder einmal Post im Briefkasten. 500 Euro nebst Zustellungszulagen forderte das Amtsgericht in Leipzig von Lohnmoster Lutz Bunge. Und die, so teilten die Richter unter dem Aktenzeichen 115 C 10561 / 03 vorsichtshalber mit, seien fristgerecht zu zahlen. Erfolge die Überweisung nicht pünktlich an die Landeskasse, werde zwangsvollstreckt. Denn dass sich die Hühner auf dem kleinen Bauernhof von Lutz Bunge auch in den festgelegten Ruhezeiten - unter anderem von 22 bis 6 Uhr - lautstark zu Wort melden, das verstoße eindeutig gegen die erlassenen Einstweilige Verfügung, die eine Nachbarin beantragt hatte.
Lutz Bunge ist sauer - richtig sauer, um genau zu sein. Und wer ihn kennt, der weiß, dass er nicht zahlen wird. Eher zieht der bodenständige Bunge wieder vor Gericht. Denn dort ist er sowieso bekannt. "Andere haben Fußpilz, ich habe eine Nachbarin", schimpft er. Diplomatie ist nicht gerade die starke Seite des 45-Jährigen.
Das Hickhack auf dem Hühnerhof in Holzhausen, einem inzwischen eingemeindeten Ort am Rande Leipzigs, begann Mitte der neunziger Jahre. In Bunges Nachbarschaft wurde gebaut. Neben der Lohnmosterei mit etwas Landwirtschaft entstand das Haus eine Bauunternehmerin.
Wie es dann zur Eskalation kam, ist nicht mehr im Detail zu klären. Bunge meint, es habe vielleicht an seinen drei Schafen gelegen. Und an deren Notdurft, die die Nachbarin gestört habe. Weil Fliegen ihre neuen Jalousinen beschädigen könnten. Dann entdeckte Bunge auf seinem Grundstück Brötchen mit verstecktem Rattengift, die offenbar seine Tiere fressen sollten. Zum Streitobjekt wurde auch die Windkraftanlage, die er in seinen Garten setzen ließ. Und von deren Schatten sich die Frau im Nachbarhaus belästigt fühlte. So sehr, dass Bunge Schattenschlaggutachten anfertigen ließ.
Gutachter kamen schließlich zu dem Schluss, dass der Windkraftmast ganze 19 Zentimeter zu hoch ist. Bunge musste wieder abbauen. Die 12 600 Mark, die er allein in die Genehmigung investiert hatte, waren in den Sand gesetzt.
So nahm die Geschichte ihren Lauf. Es folgten gegenseitige Foto-Aufnahmen von vermeintlichen Verstößen des anderen, eine Klage gegen die Nutzung von Bunges Gabelstapler und Auseinandersetzungen wegen geparkter Fahrzeuge. Mal trafen sich Richter bei ihm zu einem Ortstermin, weil das Klicken seines Gartenzauntüre zu laut sei, mal störten die Paletten für die Apfelsaftflaschen. Der Lärm der Holzspaltmaschine tat sein übriges. Eine saftige Klage gegen Bunge mit 72 Punkten entstand.
Zuletzt beschäftigte sich das Oberlandesgericht mit der ungewöhnlichen Auseinandersetzung. Und Bunge obsiegte: Die Tierhaltung, hieß es über seine Schafe, sei grundsätzlich zulässig. Zehn Schafe und fünf Gänse seien für den Durchschnittsbürger statthaft. "Dies gilt auch", stellten die Richter klar, "für die Ablagerung des von diesen Tieren verursachten Mistes auf dem Grundstück".
Nur die Hühner und Hahn Helmut bereiten Bunge derzeit Sorge. Da der Hahn in Spitzenzeiten auf einen Lärmpegel von bis zu 81 Dezibel kommt - zulässig sind nach letzten Gutachten nur 65 - verdonnerte ihn die Justiz zu so genannten Schnatterzeiten. Zwischen 13 und 15 Uhr und in der Nacht zwischen 22 und 6 Uhr muss Ruhe sein. Führte das fröhliche Gackern, so die Nachbarin, bei ihr doch zu einem Tinnitus ungekannten Ausmaßes.
Die Nachbarin selbst will zu alledem nichts sagen und lässt ihren Anwalt reden. "Wenn ein Gericht feststellt, dass der Lärm zu groß ist, dann muss der reduziert werden", stellt Anwalt Michael Stamm lapidar fest. Wie Nachbar Bunge das erreiche, sei ihm eigentlich egal. Und überhaupt: Der Streit werde in der Öffentlichkeit völlig überbewertet. "Das ist kein Streit am Maschendrahtzaun. Es geht hier ums Prinzip."
Und weil dies so ist, müssen sich die Gerichte bald erneut mit dem Nachbarschaftsstreit beschäftigen. Geht es nach dem Willen der Nachbarin, dann soll die "Ruhezeit" von Bunges Federvieh ausgeweitet werden. Hahn Helmut und die Hühner müssten dann beispielsweise von 20 bis 7 Uhr und sonntags von 18 bis 9 Uhr Ruhe halten.