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Barleben-Adamsee Konserven der Steinzeit? Schildkrötenfunde

Was haben steinzeitliche Menschen gegessen? Baggerfunde aus dem Kieswerk Barleben-Adamsee geben Einblicke in ihre Lebensgewohnheiten.

Von dpa 25.04.2024, 14:03

Halle (dpa/sa) – - Im Kieswerk Barleben-Adamsee (Landkreis Börde) sind fünf etwa 50.000 bis 42.000 Jahre alte Schildkrötenpanzerfragmente der europäischen Sumpfschildkröte geborgen worden. Zudem wurden zahlreiche Feuersteingeräte entdeckt. „Die Schildkrötenpanzerfragmente geben wahrscheinlich einen Einblick in die Lebensweise unserer frühen Vorfahren: es könnte sich um leicht transportable Frischfleischvorräte, quasi steinzeitliche Konserven, gehandelt haben“, sagte die Leiterin der Abteilung Bodendenkmalpflege beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Susanne Friederich am Donnerstag. „Durch jahrelange Beobachtung des durch Schwimmbagger zutage geförderten Materials ist es gelungen, einzigartige Belege zur frühen Anwesenheit des Menschen in Mitteldeutschland zu sichern.“ 

Aufgefallen sind die Stücke im Rüttelsieb des Baggers dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Uwe Beye. „Die Funde aus dem Kieswerk Barleben-Adamsee zeigen in hervorragender Weise den Beitrag, den ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger in unserem Land leisten“, sagte Friederich.

Alle Fragmente wurden jeweils zweimal mit der Radiokarbonmethode datiert. Danach lebten die Schildkröten in der Weichselkaltzeit. Das ist eine für Mitteleuropa unerwartete Datierung. Denn die in der Erde abgelegten Eier der europäischen Sumpfschildkröte benötigen eine Temperatur von über 18 bis 20 Grad Celsius, damit die Jungtiere sich entwickeln können.

Ethnographische und historische Vergleiche zeigen, dass Menschen Schildkröten häufig als Proviant auf Reisen mitnahmen. Die Tiere sind leicht zu transportieren und bieten auch bei ausbleibendem Jagderfolg eine Versorgung mit frischem Fleisch. Möglicherweise haben eiszeitliche Jäger, Neandertaler oder moderne Menschen die Schildkröten in nördliche, kühle Gefilde mitgebracht.

Aus dem Adamsee liegen bislang etwa 180 Feuersteinartefakte vor. Bereits 1998/99 wurde eine 41,8 Zentimeter lange, aus der Rippe eines Boviden (Ur oder Wisent) angefertigte Spitze entdeckt. Die zum Brustbein weisende Partie des Knochens ist in Form einer langen, schlanken Spitze auf ungefähr zwölf Zentimeter Länge sehr sorgfältig zugerichtet worden.

Die Radiokarbondatierung verortet den Todeszeitpunkt des Tieres mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 32.992 und 32.406 vor Christus, in die späte mittlere oder frühe jüngere Altsteinzeit. Das macht den Fund zu einem der ältesten geschliffenen Knochengeräte Mitteldeutschlands.

In dieselbe Zeit gehören die Steingeräte. Darunter etwa das Fragment einer sogenannten Blattspitze, das mit Funden aus der Ilsenhöhle bei Ranis in Thüringen verglichen werden kann. Dort wurden von einem Forscherteam unter Beteiligung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt kürzlich frühe moderne Menschen als Hersteller dieser Geräte bereits vor 45.000 Jahren ausgemacht. Zuvor waren Blattspitzen häufig mit dem Neandertaler in Verbindung gebracht worden.