Kolonialismus Kolonialismus: Napoleon in Schwarz
Halle/MZ. - "Ein schwarzes Schwein, umgeben von Fetischen, wurde dem Allmächtigen der schwarzen Rasse geopfert", fasst ein zeitgenössischer Chronist seine Recherchen vor Ort zusammen, "die Neger schlitzten ihm die Kehle auf, tranken gierig das Blut, und jeder versuchte, Haare als Talisman zu ergattern, um sich unverwundbar zu machen."
Die Zusammenkunft hatte der Sklave Boukman organisiert, ein Voodoo-Priester. In einem gemeinsamen Gebet schwor Boukmans Trupp, die Ketten der Sklaverei zu sprengen. Eine Woche nach der legendären Zeremonie gingen im Nordteil der Kolonie zahlreiche Zuckersiedereien und Plantagen in Flammen auf.
Die Rache der Weißen war grausam. Tausende Schwarze wurden massakriert. Ihre Köpfe, auf Pfählen aufgespießt, säumten die Straßen der Städte. Doch der Terror brachte dem Land nur eine kurze Friedhofsruhe. Schon bald rebellierten im Norden der Insel erneut aufständische Sklaven, und im Westen der Insel begehrten die Mulatten auf.
Die Pariser Revolutionsregierung schickte neue Truppen, die nun auch noch gegen die weißen königstreuen Konterrevolutionäre kämpfen mussten, die Teile des von ihnen kontrollierten Gebietes der englischen Krone unterstellt hatten. Zu allem Ungemach fielen neben englischen auch noch spanische Truppen aus dem Ostteil der Insel in die französische Kolonie ein, die nicht zögerten, die rebellischen Sklaven zu bewaffnen.
Unter dem militärischen Druck verkündete der französische Konvent 1794 schließlich die Abschaffung der Sklaverei. Nun wechselte der frühere Haussklave Toussaint Louverture, der sich zum militärischen Führer der Schwarzen aufgeschwungen hatte, mit 4 000 Mann die Fronten, unterstellte sich den Franzosen und warf die Spanier, seine früheren Waffenbrüder, aus dem Land. Drei Jahre später nahm er in Port-au-Prince die Kapitulation der Engländer entgegen.
Den Kommissar der französischen Regierung, Léger-Félicité Sonthonax, der ihn zum obersten General von Saint-Domingue ernannt hatte, komplimentierte der schwarze Potentat 1797 aus dem Land, dessen Nachfolger zwang er mit Hilfe eines organisierten schwarzen Mobs zur Flucht übers Meer, und dessen Ersatz warf er ins Gefängnis.
Es war ein veritabler Staatsstreich. Auch in Frankreich hatte ein Staatsstreich stattgefunden. Am 18. Brumaire des Jahres VII nach der neuen Zeitrechnung, dem 9. November 1799, hatte Napoleon Bonaparte die Macht an sich gerissen. "Tapfere Schwarze, erinnert euch, dass nur das französische Volk eure Freiheit und eure Rechtsgleichheit anerkennt", warnte er Toussaint Louverture und ordnete an, dass dieser Satz fortan unter jeder Flagge der Nationalgarde von Saint-Domingue zu stehen habe.
Doch der schwarze General widersetzte sich dem Befehl. "Wir sind heute frei, weil wir die Stärkeren sind", ließ er Napoleon selbstbewusst ausrichten.
1801 rückte Toussaint Louverture mit seinen Truppen in Santo Domingo ein und nahm auch den spanischen Teil der Insel in Besitz. Er erließ eine Verfassung, die eine von den Militärs kontrollierte generelle Arbeitspflicht einführte und den freien Wohnortswechsel unterband. So wollte der "schwarze Napoleon", wie ihn der zeitgenössische französische Schriftsteller und Politiker François-René Chateaubriand nannte, die nach zehn Jahren Krieg zerrüttete Wirtschaft sanieren.
In der Verfassung wurde Saint-Domingue nun als "Kolonie" und "Teil des französischen Reiches" bezeichnet, und Toussaint Louverture ließ über dem Schloss von Santo Domingo die Trikolore hissen. Doch der weiße Napoleon in Paris ließ sich nicht einlullen. Er entsandte Anfang 1802 seinen Schwager, General Charles Leclerc, mit einer 23 000 Mann starken Armee auf die Insel.
Toussaint Louverture befahl, alle Städte zu zerstören, die nicht zu halten seien. Sein bester General, Jean-Jacques Dessalines, setzte in einer feierlichen Zeremonie mit einer Fackel sein eigenes Haus in Brand. Nach drei Monaten lagen alle Städte des Nordens in Asche, und Toussaint Louverture, von den Franzosen mit allen militärischen Ehren empfangen, unterschrieb die Kapitulationsurkunde. Wenige Woche später lockten ihn die Sieger in eine Falle, verschleppten ihn nach Frankreich, wo der frühere Sklave, der Zeit seines Lebens nur die Tropen gekannt hatte, im kalten Verlies einer Festung nach acht Monaten starb.
Doch Saint-Domingue kam nicht zur Ruhe. Als bekannt wurde, dass Napoleon die Sklaverei wieder einführen wollte (siehe "Tod im exotischen Traumland"), griffen die schwarzen Generäle erneut zu den Waffen. Ihr stärkster Bundesgenosse wurde nun das Gelbfieber. Verzweifelt berichtete General Leclerc an Napoleon: "Die 5. Kompanie des 3. Infanterieregiments ist bis auf den Flügelmann auf dem Exerzierplatz zusammengebrochen. 360 Mann wälzten sich in Krämpfen und verwundeten sich zum Teil mit den eigenen Waffen. Ich habe keine Soldaten, um die Toten zu bestatten. Die Haifische weigern sich, die Leichen zu fressen. Wir sehen die Toten im Hafen auf den Wellen tanzen. Die Neger vermehren sich wie Ungeziefer, obwohl ich jeden Tag genügend erschießen lasse." Ende 1802 starb auch General Leclerc an Gelbfieber.
Aus Frankreich kamen neue Truppen, General Rochambeau schickte auch 28 englische Bulldoggen zur Verstärkung auf die Insel - mit einem Begleitschreiben: "Ich mache Sie pflichtgemäß darauf aufmerksam, dass Ihnen keinerlei Futter- oder Geldmittel für die Ernährung dieser Hunde zur Verfügung gestellt werden. Geben Sie ihnen Neger zu fressen. Ich grüße Sie herzlichst. Rochambeau."
Es nützte alles nichts. Im November 1803 mussten die Franzosen kapitulieren. Die aufständischen Sklaven der Karibikinsel hatten die stärkste Armee der Welt besiegt. Am Neujahrstag 1804 wurde die Republik Haiti ausgerufen, General Dessalines wurde zum Generalgouverneur auf Lebenszeit. Er liquidierte die Elite der Mulatten, befahl die Ermordung aller noch auf der Insel verbliebenen Franzosen und ließ sich wenig später zum Kaiser ausrufen.