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Klimaforschung Klimaforschung: Neuer Satellit Cryosat soll das Eis an den Polen messen

30.09.2005, 06:36
CryoSat-Mission (Foto: dpa)
CryoSat-Mission (Foto: dpa) KEYSTONE / ESA AOES MEDIALAB

Plessezk/dpa. - Aus 720 Kilometern Höhe kann sein Doppelradarbis auf drei Zentimeter genau die Dicke von Eisschichten bestimmen.

Die Europäische Raumfahrtagentur ESA eröffnet mit Cryosat eineneue Serie von Satelliten zur Erdbeobachtung. Die leichte russischeTrägerrakete Rockot, eine abgerüstete Atomrakete SS-19, soll denkünstlichen Himmelskörper ins All tragen.

Die Eismassen an den unwirtlichen Polen spielen eine große Rollefür das Klima weltweit. «Wir wissen noch viel zu wenig darüber, wasmit dem Eis passiert», sagt der britische Geophysiker Duncan Winghamin Plessezk. Er hat die 136 Millionen Euro teure Cryosat-Missionersonnen. Die Hinweise mehren sich, dass die globale Erwärmung dasEis an vielen Stellen schmelzen lässt. Erst kürzlich schlugenForscher des Nationalen Schnee- und Eis-Datenzentrums der USA (NSIDC)Alarm, weil das Eis der Arktis sich noch ihren Daten drastischvermindert. An anderen Stellen werde die Eisschicht aber aus nochungeklärten Gründen dicker, sagt Wingham.

Den endgültigen Beweis für eine drohende Klimakatastrophe erwartetder Londoner Professor von drei Jahren Arbeitszeit mit Cryosat nicht.Aber er erhofft sich zuverlässige Erkenntnisse, wie Wind, Schnee, Sonnenlicht und Erdwärme auf das Eis einwirken: «Es geht darum, diePhysik des Eises verstehen.»

Das Fluggerät zur Umsetzung von Winghams Forschungsidee, gebautvon der Firma EADS Astrium in Friedrichshafen am Bodensee, stehtbereits in Plessezk in einer staubfreien klimatisierten Montagehalle.Deutsche und russische Spezialisten haben den 650 Kilogramm schweren,in goldene Schutzfolie gehüllten Satelliten Cryosat auf die dritteRaketenstufe Breeze geschraubt.

Zur so genannten «Kampagne», den Startvorbereitungen, arbeiten biszu 20 deutsche Ingenieure sieben Wochen lang in Russlands größtemKosmodrom. Plessezk liegt etwa 800 Kilometer nördlich von Moskau inausgedehnten Wäldern. In fast 50 Jahren haben die russischenRaketentruppen hier mehr als 2000 Satelliten gestartet. Auf demMilitärgelände sind die Zivilisten nur zu Gast und werden vergattert,nicht zur Seite zu schauen. Schließlich testet Russland von Plessezkaus auch neue Atomwaffen.

Der Umgang sei aber schon lockerer geworden, berichtet YorkViertel, einer der deutschen Ingenieure. «Wir dürfen uns mittlerweileviel freier bewegen.» Die Ausländer wohnen in der abgeschottetenGarnisonsstadt Mirny, die den Weltraumbahnhof versorgt. Mit demKomfort anderer Startplätze wie Cape Canaveral (USA) oder Kourou(Französisch-Guyana) sei Plessezk nicht zu vergleichen, ist dieeinhellige Meinung. Aber wo kann man auf der Fahrt zur Arbeit schoneinen Braunbären am Straßenrand sehen?

Russland muss die früheren Interkontinentalraketen SS-19 gemäß demStart-1-Vertrag über nukleare Abrüstung von 1991 vernichten. DerStart eines Satelliten ist die letzte und sogar Gewinn bringendeStufe der Verschrottung. International vermarktet wird die Rockot vonder Firma Eurockot, einem Gemeinschaftsunternehmen der ESA und desrussischen Raketenbauers Chrunitschew in Moskau.

Die nächsten ESA-Satelliten zur Erdbeobachtung nach Cryosat sindbereits in Bau. Ab 2006 soll GOCE das Schwerefeld der Erde erkunden.SMOS wird für Wetterforscher den Salzgehalt und Wasseraustausch derMeere ermitteln.