Katastrophe von Kaprun Katastrophe von Kaprun: Der Prozess schürt die Emotionen

Salzburg/Kaprun/dpa. - Dieser Prozess schürt die Emotionen nochehe er angefangen hat: Wenn an diesem Dienstag (18. Juni) in Salzburgdie juristische Aufarbeitung der Brandkatastrophe vom 11. November2000 im österreichischen Wintersportort Kaprun beginnt, sind Tumultenicht ausgeschlossen. Angehörige der 155 Toten haben angekündigt,sich notfalls von der Polizei aus dem Gerichtssaal tragen zu lassen,wenn ihnen dort nicht genügend Plätze zur Verfügung stehen.
Das Landesgericht sähe es jedoch lieber, wenn Eltern und Partnerder Opfer den Prozess in einem eigens für sie eingerichtetenNebenraum über Videoleinwand verfolgten. Zu groß ist die Sorge, offenzu Tage tretende Wut und Trauer der Hinterbliebenen könnten einennormalen Prozessverlauf erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.
Das Inferno im Tunnel der Stand-Seilbahn zum Kitzsteinhorn kosteteauch 37 Deutsche sowie viele US-Amerikaner und Japaner das Leben. Vordem Landesgericht Salzburg müssen sich nun 16 Männer verantworten.Drei Mitarbeitern der Gletscherbahnen Kaprun AG, drei Spitzenbeamtendes Wiener Bundesverkehrsministeriums, TÜV-Mitarbeitern undtechnischen Angestellten der Seilbahn-Lieferfirmen wird «fahrlässigeHerbeiführung einer Feuersbrunst» zur Last gelegt. Sie alle streitenbisher jegliche strafrechtliche Verantwortung ab. Als Unglücksursachegilt ein widerrechtlich eingebauter Heizstrahler in der Bahn, derauslaufendes Hydrauliköl entzündete.
Einzelrichter Manfred Seiss - anders als in Deutschland bei einemProzess dieses Ausmaßes stehen ihm keine Beisitzer zur Seite - hatdie schwierige Aufgabe, die tatsächliche Verantwortung jedeseinzelnen Angeklagten für die Schlampereien bei der Seilbahnherauszufinden. Nach dem Studium der Prozessakten - 53 Ordner mit23 000 Seiten und waschkörbeweise weitere Unterlagen - steht fürSeiss fest, dass es in puncto Sicherheit für die Fahrgäste erheblicheMängel gab: «In der Seilbahn haben Sicherheitseinrichtungen gefehlt,die heute in jedem Omnibus Standard sind.» So ließen sich die Türender Kabinen nicht öffnen, auch an Feuerlöschern mangelte es.
Der Richter sieht sich von Dienstag an einer bisher in einemVerfahren kaum da gewesenen Anzahl von Prozessbeteiligten gegenüber:Die Angeklagten bringen 15 Verteidiger mit, an die 400 so genanntePrivatbeteiligte - als Nebenkläger überwiegend Angehörige von Opfernder Brandkatastrophe - werden von 46 weiteren Anwälten vertreten.Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat hat ihren Strafantrag auf 119Seiten zu Papier gebracht und wird ihn zu Prozessbeginn ausführlicherläutern. Im Verlaufe des vorerst bis Ende September terminiertenProzesses sollen Dutzende von Zeugen zu Wort kommen, sechsSachverständige sind geladen.
Neben der strafrechtlichen Klärung des Unglücks geht es in demMammutverfahren auch um Millionenbeträge an Schadenersatz. So wollenEltern Geld für den seelischen Schmerz durch den Verlust eines ihrerKinder sehen. Ein deutscher Privatkläger verlangt allein 50 000 Euro.«Und dies ist kein Einzelfall», weiß Seiss nach wochenlangem Studiumder Prozessakten. «Es haben sich Angehörige bis hin zur Großmutterund Tante den Klagen angeschlossen.» Seiss muss in dem Verfahren jedeeinzelne dieser Klagen behandeln, «auch den Verlust einer Skibrilleim Wert von ein paar Euro».
Zwei Namen verleihen dem Prozess zusätzliche Brisanz: Ed Fagan undMichael Witti. Der prominente US-Anwalt und sein Münchner Kollegesind seit den Verhandlungen um die Milliarden-Entschädigungen für NS-Zwangsarbeiter in aller Munde. Fagan will den Salzburger Prozesszumindest zeitweise persönlich verfolgen. Allein seine Anwesenheitdürfte die Spannung im Gerichtssaal beträchtlich steigen lassen, auchwenn Fagan sich wegen fehlender Zulassung an österreichischenGerichten auf eine Beobachterrolle beschränken muss.
