Karneval Karneval: «Land unter» in Bremen

Bremen/ddp. - Als die Domuhr zu schlagen beginnt,verstummen die Bässe kurz, und nach dem zwölften Schlag wird der nachAngaben der Veranstalter größte Samba-Karneval Europas eröffnet. Diefantasievolle Inszenierung steht diesmal unter dem Motto «Landunter«. Der Marktplatz verwandelt sich dazu für gut 20 Minuten ineine geheimnisvolle Unterwasserwelt.
«Mit Tang behangene Menschen liefen durch die Straßen, Sand in denKleidern und Salz im Haar», ertönt die Stimme von Katharina Witte vonder Initiative Bremer Karneval durch die Lautsprecher. Witte erzähltden Zuschauern eine Geschichte aus einer Zeit in der Zukunft, in derBremen aufgrund des Klimawandels längst in den Fluten versunken ist.Stelzenläufer in Fischkostümen und Maskenspieler illustrieren dabeiihre Worte. Der Inhalt: Die Menschen richten sich auf dem Meeresgrundein und breiten sich aus, bis die Konferenz der Tiefsee-Tierebeschließt, sie fortzuschicken, «wenn sie nicht lernen, sich als Teilder Natur zu betrachten».
In der Meerjungfrau haben die Menschen eine Fürsprecherin, und sogeht die Geschichte am Ende gut aus. «Werdet fischig», ruft Witte denZuschauern am Ende zu und damit setzt sich der Umzug der fast 2000Sambatrommler und -tänzer, Stelzenläufer und Maskenspieler inRichtung «Viertel» in Bewegung.
Viele Zuschauer verfolgen das Spektakel am Straßenrand, einige vonihnen haben sich auch verkleidet. Renas Kejo etwa ist im Bademantelzum Marktplatz gekommen. Den hat er angesichts der Temperaturen umden Gefrierpunkt allerdings über seine normale Kleidung gezogen. «Ichwollte mich passend zum Motto verkleiden», sagt der Bremer. Dass dieFahrgäste im Bus ihn wegen seines Aufzugs komisch angeguckt haben,habe ihn nicht gestört. «Einmal im Jahr ist das eben so.» Das habensich auch Cornelia von Homeyer und ihr Lebensgefährte Mike Ehrenberggedacht. Die beiden tragen auffällig bunte Hüte und wärmen sich mitGlühwein.
«Wir sind hart im Nehmen, schließlich soll der Karneval den Winterja auch austreiben», sagt die künstlerische Leiterin derVeranstaltung, Janine Jaeggi. Sorgen, dass Schnee und Eis demKarneval in letzter Minute doch noch einen Strich durch die Rechnunghätten machen können, hatte die 44-Jährige nach eigenem Bekunden zukeinem Zeitpunkt. «In einem Jahr haben wir bei Sturm und Hagelbegonnen, und plötzlich kam die Sonne raus.» Ihr Rezept gegen dieKälte lautet: "Sich einfach warmtanzen.»
Jaeggi hat vor 25 Jahren den ersten Bremer Samba-Karnevalinitiiert. «Als ich 1984 nach Bremen kam, gab es hier keinenKarneval», erinnert sich die gebürtige Schweizerin. Aber es habe eineSambagruppe gegeben, bei der sie gleich mitgemacht habe und mit dersie im Jahr darauf nach Luzern zum Karneval fahren wollte. Doch dashabe nicht geklappt. So sei die Idee entstanden, selbst etwas auf dieBeine zu stellen.
Damals hätten etwa 100 Sambistas und Maskenspieler aus Bremen,Berlin und Hamburg an dem Mitmach-Karneval teilgenommen. «Es gab kaumZuschauer am Rand, die Leute sind einfach gleich mitgegangen»,erzählt Jaeggi begeistert. «Diesen Happening-Charakter versuchen wirauch heute beizubehalten, indem wir den Umzug im Straßenkarnevalauflösen.»
Seit damals sei der Bremer Karneval, der traditionell zehn Tagevor Rosenmontag stattfindet, von Jahr zu Jahr gewachsen. Bei der 25.Auflage an diesem Wochenende sind nach Angaben der 44-Jährigen fast150 gemeldete Gruppen dabei. Sie kommen aus ganz Deutschland, denNiederlanden, Polen und Dänemark. Längst werbe auch die Stadt mitdieser Großveranstaltung, die diesmal nach Schätzungen der Polizeizwischen 15 000 und 20 000 Zuschauer anlockt.
Auch Ingrid und Dietrich Langhans kommen jedes Jahr. «DieAtmosphäre ist einfach toll», findet das Ehepaar, das in derMenschenmenge gerade zufällig Freunde getroffen hat. «Wenn's mir zulaut wird, dann klappe ich einfach meine Ohrenschützer runter», sagtZuschauer Uwe Ratjen und grinst. Gerade eben haben wieder tiefeTrommelklänge eingesetzt.