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Kalibergwerk in Thüringen Kalibergwerk in Thüringen: Familie und Kollegen trauern um Bergleute

02.10.2013, 05:39
Die Bergleute Hans-Dieter Hartung und Danny Freißmann (r.) legen am Schacht II des Standort Unterbreizbach (Thüringen) vom K+S Werk Werra Blumen nieder.
Die Bergleute Hans-Dieter Hartung und Danny Freißmann (r.) legen am Schacht II des Standort Unterbreizbach (Thüringen) vom K+S Werk Werra Blumen nieder. dpa Lizenz

Unterbreizbach/Kassel/dpa - Die Fahnen wehen auf Halbmast, Kerzen und Blumen liegen vor dem Werkstor. Nach dem Grubenunglück in der Kaligrube unter dem kleinen Unterbreizbach steht die Region am Mittwoch unter Schock. In 700 Metern Tiefe starben am Vortag drei Bergleute in Schacht zwei. Der älteste der getöteten Kumpel habe kurz vor seiner Pensionierung gestanden, sagt eine Mitarbeiterin in der Gemeindeverwaltung. Es sei schon schrecklich, betont sie und schaut aus dem Fenster auf die riesige, mehr als 100 Meter hohe Salzhalde, die das Panorama des Dorfes im Thüringer Grenzgebiet zu Hessen prägt.

Viele in der Bergarbeiterregion fragen sich auch am Tag danach, was genau passiert ist und wie es dazu kommen konnte. Die drei Bergleute waren bei einem massiven Kohlendioxidaustritt ums Leben gekommen. Vier Kollegen konnten sich retten und blieben unverletzt.

Es habe in den vergangenen Jahren immer wieder in den Bergwerken mit Kohlendioxid Probleme gegeben, sagt eine Mitarbeiterin eines Supermarktes im Ortsteil Sünna. Sie möchte anonym bleiben. „Das gibt sonst nur Gerede“, erklärt sie. Befreundete Bergarbeiter hätten ihr das erzählt. Wo Salz ist, ist aber auch Gas eingeschlossen. „Die gefährlichen Förderstätten sind ja auch die besten“, meint die rund 50-jährige Frau. Das Risiko sei bekannt und wohl auch ein Grund dafür, dass die Bergleute aus ihrer Sicht gut bezahlt würden.

Der Werksleiter in Unterbreizbach Rainer Gerling, bestätigt: Kohlendioxid-Austritte gebe es regelmäßig. „Aber nicht in dieser Größenordnung“, fügt er hinzu. Der Konzern K+S gehört in die Bergbauregion, dominiert sie fast. In vielen Städtchen stehen die grünen Fördertürme oder Wetterschächte zur Belüftung. Über allem thront eine riesige Abraumhalde. Unter Tage wiederum liegen kilometerlange Stollen und riesige Hallen, in denen das Salz zunächst aus dem Gestein gesprengt und anschließend gefördert wird.

Schrecklich sei die Tragödie, sagt eine Bedienung in einer Gaststätte im benachbarten hessischen Philippsthal. Aber so etwas komme eben vor. Und überhaupt sei die Region ja vom Salzabbau abhängig. „90 Prozent der Menschen leben davon. Hier wäre nichts mehr, wenn die aufhören würden“, erzählt sie.

Über die Ursachen des Unfalls hüllt sich Werksleiter Gerling auch einen Tag danach noch weitgehend in Schweigen und verweist auf die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Bergbauamt. Bekannt ist: Die sieben Kumpel waren in 700 Metern Tiefe auf einem Kontrollgang nach einer geplanten Sprengung, die jeden Tag mehrmals zwischen den Schichten durchgeführt wird, um neues Salz aus dem Gestein zu lösen. Sie sollten das Stollengebiet auf die Sicherheit für die nächste Schicht überprüfen.

Plötzlich und ohne Vorwarnung kam es dann 200 Meter tiefer und mehrere Kilometer von den Bergleuten entfernt zu dem Gasaustritt und der damit verbundenen Druckwelle. Rauch und Staub wurden bis an die Oberfläche gedrückt. Die drei Bergleute im Alter von 24, 50 und 56 Jahren schafften es nicht mehr, in einen Schutzraum zu flüchten oder die Atemschutzgeräte anzulegen. Nach Angaben von Gerling hatten die Kumpel rund eine Sekunde Zeit, die Masken aufzusetzen oder in einen sicheren Raum zu flüchten. Ihre Leichen wurden in der Nacht zu Mittwoch nur wenige Meter vom Schacht geborgen.

Unter Tage ist die gesamte Region in Thüringen und bis nach Osthessen völlig ausgehöhlt, wie der Bürgermeister von Unterbreizbach, Roland Ernst (parteilos) sagt. „Es ist eine Art Schachbrett“, sagt auch Werksleiter Gerling.
Die Stollen würden nach der Förderung mit Stützpfeilern gesichert, beschreibt Bürgermeister Ernst. Seine Gemeinde sei von K+S abhängig, dem Betreiber der Schächte in Unterbreizbach. Ernst ließ am Morgen die Flaggen vor dem Gebäude der Gemeindeverwaltung auf Halbmast setzen. Die Opfer stammen aus den weiter entfernten Orten Frauensee, Weila und Neidharzhausen.

Am Nachmittag besuchte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) gemeinsam mit K+S-Vorstandschef Norbert Steiner das Bergwerk und legte Blumen vor dem Tor ab. Angehörige der Opfer hatten hier in der Nacht bereits Kerzen aufgestellt. „Ein Schock hat Thüringen erfasst“, sagte sie und kündigte eine Gedenkfeier für die Opfer an.

In der Kaligrube ruht indes bis auf weiteres die Arbeit. Dies soll auch in den nächsten Tagen oder Wochen so sein, bis die Experten die Unfallursache untersucht und die Anlage überprüft haben. Wann es wieder unter Tage geht für die Kumpel, ist völlig unklar.

Bei einem Unglück in der Kali-Grube der K+S Kali GmbH in Unterbreizbach sind drei Menschen ums Leben gekommen.
Bei einem Unglück in der Kali-Grube der K+S Kali GmbH in Unterbreizbach sind drei Menschen ums Leben gekommen.
dpa Lizenz