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Kakerlaken-Rennen Kakerlaken-Rennen: Ivan der Schreckliche gegen ehrgeizige Olga

Von Jutta Schütz 10.02.2003, 06:44
Die Rennkakerlake "Ivan der Schrecklicke " startet am Dienstag (04.02.2003) in Berlin zu einer Trainingsrunde über ein Brett. Die Riesen-Kakerlaken-Wettrennen organisiert der russische Maler Nikolai Makarow in Berlin-Mitte. Zu den Wettrennen sagt Makarow: " Es macht Spaß, ist unsinnig und witzig zugleich." (Foto: dpa)
Die Rennkakerlake "Ivan der Schrecklicke " startet am Dienstag (04.02.2003) in Berlin zu einer Trainingsrunde über ein Brett. Die Riesen-Kakerlaken-Wettrennen organisiert der russische Maler Nikolai Makarow in Berlin-Mitte. Zu den Wettrennen sagt Makarow: " Es macht Spaß, ist unsinnig und witzig zugleich." (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Ein bisschen Grusel gibt es gratis bei der Formel K in der Hauptstadt. Das große Krabbeln: bei der bundesweit wohl einmaligen Partynummer flitzen sieben mal sechs dünne Beine über das grüne Brett. Die Beine gehören den Riesen-Kakerlaken Olga III, Ural, Pamir, Nina, Pionier, Dukat und Ivan dem Schrecklichen. Die gemeinhin als abstoßend empfundene Küchenschabe avanciert beim Kakerlaken- Wettrennen im Tarakan-Klub in Berlin-Mitte zum umsorgten und bejubelten Wettkämpfer.

Renn-Erfinder, Organisator und Maler Nikolai Makarov streicht zärtlich über den Chitin-Panzer seiner Lieblinge. «Sie sind empfindlich, kalte Zugluft wäre eine Katastrophe.» Der ganz in Schwarz gekleidete Maler mit Zopf und Brille wundert sich noch immer, dass er mit seinen Kakerlaken-Rennen mehr Berühmtheit schafft als mit seinen Bildern, auf denen er verschwommene Landschaften wie hinter Nebel darstellt.

«Die Idee hab ich aus einem Buch des russischen Dichters Michail Bulgakow», erzählt der 50-Jährige, der 1975 aus Moskau nach Ost- Berlin kam und heute neben der deutschen Hauptstadt auch New York als Heimat ansieht. In «Die Flucht» werde beschrieben, wie sich russische Emigranten in der Fremde mit Kakerlakenrennen die Zeit vertreiben. «Es macht Spaß, ist unsinnig und witzig zugleich», dachte sich der Mann mit dem dünnen Spitzbart und schritt zur Tat.

Inzwischen verweist er auf einen illustren Kakerlaken-Fan-Kreis: Banken, die Berlinale, Modemessen, ein Theaterfestival buchten die schräge Schau. Auch ins Fernsehen zu Stefan Raab hat es Makarov schon mit seinen «Haustieren» geschafft. Und im Berliner Club gönnen sich auch Studenten, Rechtsanwälte oder Künstler das besondere Kribbeln beim Krabbeln. Wett-Einsatz sind fünf Euro, Gewinne Wodka oder Kaviar. «Geld ist damit nicht groß zu verdienen», versichert Makarov, dessen Show mit Musik schon als Hauptstadt-Institution gilt.

Bei Auswärtsspielen gehen die sechs Gramm schweren Tierchen, die bis zu sechs Jahre alt werden können, in durchsichtiger Plastikbox auf Reisen. Aber mehr als zehn Rennen im Jahr gibt es nicht. Makarov will seine Mitbewohner noch lange um sich haben. Er kommt ins Schwärmen: «Kakerlaken sind so anpassungsfähig und noch schlauer als Dinosaurier. Die haben bislang alles überlebt.» Weltweit gibt es 3500 Arten der Allesfresser.

In Makarovs Atelier haben die bis zu sieben Zentimeter großen Schaben aus Australien und Nordamerika einen warmen Fensterplatz. Wie sie herkamen, will er lieber nicht sagen. Aber Ärger mit den deutschen Behörden gebe es nicht. Auf Gläsern stehen die Namen der Kakerlaken-Sportler. «Derzeit hab ich rund 30, die auftreten können. Dazu 20 Jugendliche, die noch viel vor sich haben.»

Der Nachwuchs krabbelt zwischen Sägespänen, Karottenstücken und Eierpappen in Terrarien auf dem Fußboden. Wie beruhigend: Die Makarov-Züchtungen gehen nicht die Wände hoch. Einen herben Verlust musste der Kakerlaken-Enthusiast aber schon hinnehmen: Die erste Olga wurde von Pamir aus Frust gefressen.

Bevor die braunen, schwarzen oder gefleckten Schaben mit ihren langen Fühlern nach dem Startschuss über die zwei Meter langen, mit Plexiglas abgetrennten Bahnen auf dem Wettkampftisch fegen, liegt hartes Training hinter ihnen. Probeläufe stehen täglich auf dem Programm. Geübt wird auch der Los-Lauf-Reflex nach dem Schuss aus der Startpistole. Vier Sekunden gelten für eine Strecke als gute Zeit. Am Renntag wird die Konkurrenz auf dem dicht umlagerten Tisch dann auf eine große Leinwand übertragen, damit alle Gäste mitfiebern können. Bei Streitigkeiten, welches Kakerlakenbein zuerst über die Linie kam, helfen Zielkameras.

Ivan der Schreckliche macht seinem Beinamen durch besondere Aggressivität alle Ehre. Und auf die Sieg verwöhnte Olga III. ist Makarov besonders stolz. «Die passt so gut auf beim Start, ist super ehrgeizig und hat eine exzellente Kondition.» Sicher wird sie auch bei einem ehrgeizigen Projekt in diesem Jahr dabei sein: Makarov will mit seinen ungewöhnlichen Renn-Tieren in Las Vegas an den Start gehen.