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Der gefallene Radstar Jan Ullrich dreht auf Mallorca am Rad

Von Christian Schwager 06.08.2018, 10:05
Jan Ullrich beim Verlassen eines Gerichtssaales.
Jan Ullrich beim Verlassen eines Gerichtssaales. dpa

Berlin - Die Polizei hat ihn wieder auf freien Fuß gesetzt. Das könnte ein gutes Zeichen sein. Vielleicht hat Jan Ullrich ja die Wahrheit gesagt, hat gesagt, was auf Mallorca passiert ist am Freitagabend, als er – offenbar angetrunken – von seinem Anwesen auf das des Nachbarn vordrang, Til Schweiger, Schauspieler und von der Attacke des 44-Jährigen überrascht. Wie die spanische Polizei bestätigte, wurde der Ex-Radprofi wegen „gewaltsamen Eindringens und Bedrohungen“ vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Vielleicht hat Ullrich auch die Sache mit dem Besenstiel erklärt, den er als Waffe eingesetzt haben soll. Vielleicht, denn nicht immer begreift der Tour-de-France-Sieger von 1997, wann er mit der Wahrheit herausrücken sollte. Angesichts polizeilicher Ermittlungen ist das dumm. Angesichts seiner Begabung tragisch.

Jan Ullrich hielt seine Versprechen nie ein

Eine Begabung hatte Ullrich für den Radsport, fürs Profitum eher nicht. Obwohl er sich bemühte. Bei der Tour 2000 etwa nach der Alpen-Etappe hinauf nach Courchevel. Er war kurz davor, Zweiter in der Gesamtwertung zu werden, nur, mal wieder. Er sagte: „Ich will, dass es wieder so wird wie 1997, als ich die Tour gewonnen habe und mir das Radfahren richtig Spaß gemacht hat.“ Ullrich versprach, nicht mehr im Winter zuzunehmen, im November mit dem Training zu beginnen, ein Profi zu sein. Er hielt nicht Wort.

Das Jahr 2002 wurde zum Sinnbild für den tragischen Helden. Es war der 1. Mai, als Ullrich im Porsche durch Freiburg bretterte, beschwingt durch 1,4 Promille Alkohol im Blut und angeblich an der Seite eines Kollegen mit Spitznamen Porno-Paul. Eine Woche später sagte Ullrich seinen Tour-Start ab, ließ sich am Knie operieren, wurde positiv auf Amphetamine getestet. Die Boulevardpresse präsentierte die Geschichte vom Unbekannten, der Ullrich eine Pille zusteckte. An der sechsmonatigen Sperre änderte das nichts.

Ullrichs Kurs blieb kurvenreich bis zum Ende

Ullrichs Kurs blieb kurvenreich bis zum Ende der Karriere, erzwungen durch die Dopingaffäre um den Blutpanscher Eufemiano Fuentes. Ein feixender Kindskopf verließ 2007 nach der finalen Pressekonferenz ein Hamburger Hotel, offenbar verlassen von allen guten Geistern. Nur gut auf dem Rad zu sein, reicht nicht. Profisport ist Showbusiness und auch eine Frage des Timings.

Jan Ullrich schwieg Doping tot

Andere haben über ihre Doping-Vergehen geredet, Erik Zabel oder Rolf Aldag, das Nötigste nur, aber sie kehrten ins Geschäft zurück. Ullrich schwieg und blieb draußen. Auch diese Situation muss belastend für ihn gewesen sein, ist es wahrscheinlich bis heute, könnte die wiederholten Eskapaden erklären.

Am Freitag auf Schweigers Anwesen am Stadtrand von Palma hat er offenbar geredet, laut, klar und deutlich. Ob es die Wahrheit war, spielt dabei erst mal keine Rolle. Auf den Fotos vom Wochenende, die Ullrich in Begleitung der spanischen Justizbeamten zeigen, gibt der einstige Radsport-Held jedenfalls ein jämmerliches Bild ab.