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Italien Italien: Piergiorgio Welby kämpft in Rom für seinen Tod

Von Peer Meinert 17.12.2006, 21:12
Der Italiener Piergiorgio Welby, der seit Jahrzehnten unter Muskelschwund leidet und mittlerweile gelähmt ans Krankenbett gefesselt ist, kann nur noch mit den Augen kommunizieren. (Foto: dpa)
Der Italiener Piergiorgio Welby, der seit Jahrzehnten unter Muskelschwund leidet und mittlerweile gelähmt ans Krankenbett gefesselt ist, kann nur noch mit den Augen kommunizieren. (Foto: dpa) ANSA

Rom/dpa. - Jeden Tag erscheint sein Bild in denitalienischen Zeitungen, Abend für Abend ist er in den Nachrichten:Ein 60-jähriger Mann, durch unheilbaren Muskelschwund ans Bettgefesselt, das Gesicht starr, der Blick verzweifelt. Nur die Augenbewegen sich. «Ich bin Gefangener meines eigenen Körpers», ließ erStaatspräsident Giorgio Napolitano wissen, «bald werde ich nichteinmal mehr mit meinen Augen mit der Welt in Verbindung tretenkönnen.» Der Mann kämpft um seinen eigenen Tod, per Gericht will ererreichen, dass die Ärzte seinem Leben ein Ende setzen - bislangvergeblich.

Ganz Italien verfolgt das Drama, leidet mit dem Römer. Seit langemhat kein Thema die Menschen so tief gerührt. «Das ist der KriegPieros», schreibt eine Zeitung. In 50 Städten gab es in der Nacht zumSonntag Mahnwache für den Gelähmten, längst ist sein Todeswunsch zumPolitikum geworden - vor den Augen des Vatikans ist ein heftigerStreit um das Für und Wider der Sterbehilfe entbrannt.

Doch fürs erste hat die Justiz die Hoffnungen Welbys auf baldigeErlösung zerstört. Ein Zivilgericht in Rom hat die Klage desGelähmten auf den eigenen Tod nicht zugelassen. Zwar habe ergrundsätzlich das Recht, dass die Therapie unterbrochen und dielebenserhaltenden Geräte abgestellt werden, doch leider gebe es dafürnoch kein Gesetz, meint das Gericht. Für den Laien kaum verständlich.«Welby ist verurteilt, weiter zu leben», titelt die Turiner Zeitung«La Stampa» an diesem Sonntag.

Der Leidensweg Welbys ist lang: Erste Anzeichen der Muskelschwächemachten sich bemerkbar, als er 16 Jahre alt war. Lange Zeit ließensich die schlimmsten Auswirkungen hinauszögern, dann kam derRollstuhl, seit zehn Jahren wird Welby künstlich beatmet, Botschaftenan die Außenwelt gibt er mittels eines Computers. Aufhalten lässtsich die Krankheit nicht, Heilung gilt als ausgeschlossen - deshalbentschloss sich Welby zum Handeln.

Seinen ersten Hilfeschrei richtete er im September anStaatspräsident Napolitano. «Das was mir geblieben ist, ist keinLeben mehr. Es ist nur ein dickköpfiges und unsinniges Festhalten ander Aufrechterhaltung der biologischen Funktionen.» Alles, was ersich wünsche ist «die Gnade der Sterbehilfe». Napolitano zeigte sichzwar tief getroffen, doch handeln konnte auch er nicht. Dannschaltete Welby die Justiz ein, sie sollte den Ärzte grünes Lichtgeben, die Geräte, die ihn am Sterben hindern, auszuschalten.

Das Dilemma: In Italien ist weder aktive noch passive Sterbehilfeerlaubt, Ärzte riskieren bei Euthanasie laut Medienberichten eineHaftstrafe von bis zu 15 Jahren. Die Chancen, bald ein entsprechendesGesetz zu verabschieden, stehen schlecht, zu unterschiedlich sind dieMeinungen. «Ich persönlich, würde es nicht schaffen, den Stecker (ausden Geräten) herauszuziehen», meint etwa Gesundheitsministerin LiviaTurco. Hinzu kommt die harte Haltung des Vatikans. Die jüngsten Worteeines Kurienkardinals, dass Euthanasie «immer auch eine Form von Mordist», sind nicht unbedingt hilfreich.

Was tun? Italienische Medien zeigen bereits den weiterenInstanzenweg für den Kranken auf - bis hin zum EuropäischenGerichtshof. Niemand könne derzeit sagen, «wie lange Welby noch gegenseinen Willen am Leben gehalten wird», meinen Kommentatoren. Welbyselbst sei derzeit so verzweifelt, dass er sich nicht äußern könne.Schreibt der «Corriere della Sera» am Sonntag: «Die Schlacht istnoch nicht zu Ende».