Italien Italien: Mafia-Pate wird nach 40 Jahren verhaftet

Rom/dpa. - Seit Jahren hatten die Top-Ermittler auf Sizilien nur ein Ziel - den mysteriösen undmeistgesuchten «Boss der Bosse» zu schnappen. In einem abgelegenen Gehöft in der Nähe der Mafia-Hochburg Corleone klickten jetzt nach aufwendigen Ermittlungen und Telefonüberwachungen die Handschellen.
Damit hat der Pate nach Jahrzehnten wieder ein Gesicht. Dennletzte Fahndungsfoto stammte aus dem Jahr 1959. «Das Phantom derMafia» wurde der Boss deshalb immer wieder genannt. Klein wirktProvenzano, auf den neuen Aufnahmen ist er mit weißem schütteren Haarzu sehen. Immerhin ist er heute 73 Jahre alt, seit 43 Jahren lebt erim Untergrund.
Obwohl sich Provenzano nur wenige Kilometer von seinem Heimatdorfentfernt aufhielt, konnte er der Polizei jahrelang immer wiederentwischen. Jetzt wurde ihm kurioserweise seine Unterwäsche zumVerhängnis. «Ein historischer Erfolg im Kampf gegen die Mafia!»,lobten Politiker im ganzen Land. Ein abgehörtes Telefonat hatte dieErmittler auf die richtige Spur gebracht, berichtete die italienischeNachrichtenagentur Ansa. Darin habe ein Vertrauensmann sich mitseinem Gesprächspartner darüber abgestimmt, wann er dem Boss seinesaubere Wäsche bringen soll.
In Italien gilt die Festnahme Provenzanos als der größte Coupgegen das organisierte Verbrechen seit über zehn Jahren. Am Mittageilten zahlreiche Schaulustige vor das Polizeikommissariat inPalermo, Kamerateams stellten sich parat. Der «Boss der Bosse» habebei seiner Verhaftung keinerlei Widerstand geleistet, hieß es. EinDNA-Test habe seine Identität bestätigt. Staatspräsident CarloAzeglio Ciampi gratulierte den Mafiajägern zu dem Erfolg. «DieFestnahme Provenzanos ist ein außergewöhnliches Ergebnis, das vorallem durch Stillschweigen, Geduld, Entschlossenheit undProfessionalität erzielt wurde», sagten Staatsanwälte in Palermo.
Bernardo Provenzano war Anfang 1993 nach dem Tod von LucianoLiggio und der Verhaftung von Toto Riina an die Spitze dersizilianischen Cosa Nostra aufgestiegen. «Er schießt wie ein Gott,schade nur, dass er das Gehirn eines Huhns hat», soll Liggio einmalüber Provenzano gesagt haben. «Dies ist die Geschichte von dreiBossen, die als halbe Analphabeten Mitte der 50er Jahre in Corleoneaufgewachsen sind und sich entschieden haben, sich das, was siewollen, mit Waffengewalt zu nehmen», schrieben Kommentatoren.
Insider bezeichneten Provenzano stets als äußerst misstrauisch undmenschenscheu. Wegen seiner Entschlossenheit wird er auch «DerTraktor» genannt. Bei den Mega-Prozessen gegen die Mafia bezeichnetensizilianische Richter ihn als «einen der grausamsten undblutrünstigsten Bosse der Cosa Nostra».
Mafiaaussteiger, die später als «pentiti» vor Gericht aussagten,erzählten von «mindestens 40 Morden», in die Provenzano direkt oderindirekt verwickelt gewesen sein soll. Mehrmals wurde er während inAbwesenheit zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Auch soll erder Drahtzieher des internationalen Drogenhandels und der Geldwäschesein.
In seinem Versteck fanden die Ermittler unter anderem eine alteSchreibmaschine. Mit ihr könnte der legendäre Pate zahlreiche Briefemit verschlüsselten Botschaften verfasst haben: Ermittler hatten vorwenigen Jahren die Codes aus langen Reihen von Nummern undAbkürzungen zu knacken versucht. Nach einem ausgeklügelten Systemseien bei der Übermittlung drei Mafia-Briefträger eingesetzt worden,hieß es damals.
