Italien Italien: Ärzte stellen nach 17 Jahren Wachkoma Ernährung ein

Rom/dpa. - Eine seit 17 Jahren im Wachkoma liegende Italienerindarf jetzt sterben. Die 38-jährige Eluana Englaro wurde in der Nachtzum Dienstag aus einer Klinik im lombardischen Lecco in einAltersheim in Udine transportiert, berichteten italienische Medien amDienstag. Dort soll in den nächsten Tagen die künstliche Ernährungund Flüssigkeitszufuhr schrittweise verringert werden. DerSterbeprozess könne 15 Tage dauern, schätzten Experten. Damit ist dieSterbehilfedebatte in Italien wieder voll entbrannt.
Die Kirche der Region kündigte Betwachen vor der Klinik an. VorAbfahrt des Krankenwagens kam es zu heftigen Protesten vonSterbehilfe-Gegnern, die spontan eine Nachtwache organisierten.Spruchbänder wie «Wach auf, Eluana, man will dich umbringen»empfingen den Krankentransport im friaulischen Udine.
«Haltet diese Mörderhand auf», protestierte auch der vatikanischeGesundheitsminister, Kardinal Javier Lozano Barragan, in einem amDienstag veröffentlichten Appell. Die künstliche Ernährung zuunterbrechen, komme «einem verabscheuungswürdigen Mord gleich», sagteder Kardinal. Papst Benedikt XVI. hatte sich immer wieder - zuletztam vergangenen Sonntag - gegen die Sterbehilfe ausgesprochen. Sie seidie «falsche Lösung» und käme Euthanasie gleich. Eluana war 1992 nacheinem Unfall ins Koma gefallen. Ihr Vater hatte jahrelang vergeblichdarum gekämpft, die künstliche Ernährung seiner Tochter einstellen zudürfen. Vor allem der Vatikan hatte sich immer wieder dagegenausgesprochen.
Bereits im vergangenen November hatte das oberste italienischeBerufungsgericht in letzter Instanz entschieden, die künstlicheErnährung der Italienerin könne eingestellt werden. Die Aufnahme ineine andere Privatklinik in Udine und später in ein öffentlichesKrankenhaus in der Lombardei, das sich bereiterklärt hatte, die Koma-Patientin in den Tod zu führen, war jedoch zunächst am italienischenGesundheitsministerium gescheitert. Während linke Politiker Respektfür das Leiden der Familie einforderten, erklärte der italienischeGesundheitsminister Maurizio Sacconi, man sei dabei, «die Sachlageformal auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen». Sacconi hatte bis zuletztper Dekret und Androhung finanzieller Konsequenzen versucht, dieAusführung der gerichtlich genehmigten Sterbehilfe zu verhindern.
«Das entscheidende Problem liegt in der zuverlässigen Ermittlungdes Patienten-Willens», erklärte Eugen Brysch, Geschäftsführer derDeutschen Hospizstiftung, der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Wirbrauchen in Italien wie auch in Deutschland und in ganz Europa einGesetz, das die prozeduralen Schritte zur Feststellung des Patienten-Willens festlegt», so Brysch. Andernfalls bestehe die Gefahr, dassnach persönlichen Wertvorstellungen entschieden werde. Vater Englarohatte immer wieder betont, Eluana habe ihm vor ihrem Unfall gesagt,in einem solchen, von Ärzten als «irreversibel» bezeichneten Zustand,doch lieber sterben zu wollen.
Bisher sind in Italien im Unterschied zu Deutschland, wo es einRecht auf passive Sterbehilfe gibt, sowohl die aktive als auch diepassive Sterbehilfe verboten. Verstärkt ist deshalb wieder dieEinführung einer Patientenverfügung im Gespräch.
