Inzest-Fall Inzest-Fall: Das Monster von Amstetten
ST. PÖLTEN/MZ. - Aus aller Welt sind Medienvertreter angereist,um den "Horror-Vater vom Amstetten" zu erleben,dessen Verbrechen vor einem knappen Jahr dieWelt in Atem gehalten hat. Als Josef Fritzlsieben Minuten vor Verhandlungsbeginn in denSaal geführt wird, versteckt er sein Gesichthinter einer blauen Mappe, in der seine Verbrechenaufgelistet sind. Wenn es um ihn selbst geht,bewahrt sich der Mann, der in einem dunklenKellerverlies seine gefangen gehaltene TochterE. regelmäßig zum Geschlechtsverkehr zwangund sieben Kinder mit ihr zeugte, offenbarSchamgefühl.
Fritzl sei ein Einzeltäter, der "zum Nachteilvon Familienangehörigen" gehandelt habe. "Esist kein Verbrechen eines Ortes, einer Regionoder sogar einer ganzen Nation", sagt RichterinAndrea Hummer. Der Prozess befinde sich imSpannungsfeld zwischen Sensationslust unddem Schutz der Opfer, fährt die Vorsitzendefort. Deshalb wird über weite Strecken, auchwenn die Vernehmung von Tochter E. per Videoeingespielt wird, unter Ausschluss der Öffentlichkeitverhandelt.
Nur ganz selten wirft die junge StaatsanwältinChristiane Burkheiser einen Blick auf dieAnklageschrift. In ungewöhnlich persönlicherForm beschwört sie die acht Geschworenen,sich von dem "gepflegten Äußeren und dem höflichenAuftreten" des Angeklagten nicht blenden zulassen. Sie will den Geschworenen ein Gefühldafür vermitteln, was es bedeutet, 24 Jahrelang in einem "feuchten, schimmeligen, modrigenGefängnis" eingesperrt zu sein, das an denhöchsten Stellen 1,74 Meter misst.
Die ersten neun Jahre hatte Fritzl seineTochter zur total abhängigen Sex-Sklavin degradiertund die Kinder auf 18 Quadratmetern zusammengepfercht."Keiner kann sich ausmalen", sagt die Staatsanwältinmit bebender Stimme, "was sich da unten abgespielthat." Sie stellt den Angeklagten dar als gefühllosund mechanisch handelnden Täter: "Er kam,nahm sie sich und ging wieder." Als im August1988 die kleine K. zur Welt kam, das ältesteKellerkind, habe Tochter E. den Säugling ineine nicht sterilisierte Decke hüllen undauf eine verschimmelte Matratze legen müssen.Da hatte Josef F. schon sieben Kinder mit"meiner Gattin" Rosemarie, die bei der Hochzeitsiebzehn war. Die Anklägerin spricht von zwiespältigenGefühlen, die E. durchlitten habe, als erihr dreimal die Kinder wegnahm. Seiner ahnungslosenFrau und den Behörden gegenüber inszenierteer eine "Kindsweglegung", wie das in österreichischerBehördensprache heißt. Jedesmal erweckte erden Eindruck, die Kinder seien von seinerTochter heimlich an die Haustür gelegt worden.Und das Jugendamt glaubte ihm.
In vier der sechs Anklagepunkten - Blutschande,schwere Nötigung, Vergewaltigung sowie Freiheitsentzug- wird Fritzl sich schuldig bekennen, sichaber gegen des Vorwurf der Sklaverei und vorallem des Mordes verwahren. Die Staatsanwaltschaftlegt ihm "Mord durch Unterlassen" zur Last,weil er bei einer Zwillingsgeburt eines derbeiden männlichen Babys trotz eines "massivenAtemnot-Syndroms" nicht in medizinische Obhutgegeben habe. In diesem Moment wendet sichdie Staatsanwältin direkt an den unter sichblickenden Angeklagten. "Herr Fritzl, Siehaben Ihrem eigen Fleisch und Blut ärztlicheHilfe verweigert. Da sind Sie zu weit gegangen."Das Flehen der Tochter ignorierte er. Fritzlsoll die Leiche später im Heizungskeller verbrannthaben. Zynisch gab er an, er habe sich mitseiner Tochter auf eine "Feuerbestattung"verständigt.
Verteidiger von Tätern wie Josef Fritzl habenviele Feinde. Rudolf Mayer kostet seine Rolleweidlich aus. Der Wiener Staranwalt zitiertaus Drohbriefen und appelliert an die Geschworenen,"die Emotionen beiseite zu lassen". 24 Jahrelang, behauptet er, habe Fritzl sich "eineZweitfamilie aufgebaut" und dabei Schuldgefühlegehegt. Ihn als Monster zu charakterisieren,sei abwegig. "Ein Monster fährt nicht mitseiner kranken Tochter zum Spital." So versuchter, den Mordvorwurf zu erschüttern. "Er wollteden Bub eigentlich rauftun zu den anderen."Tochter E. und ihren Kindern bleiben dieseAuftritte erspart. Sie müssen im Saal nichtanwesend sein.