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Landesregierung Gutachter empfehlen stärkere Spezialisierung von Kliniken

Das lange erwartete Krankenhausgutachten liegt vor. Es gibt Reformbedarf in Sachsen-Anhalt. Wo muss die Kliniklandschaft besser aufgestellt werden?

Von dpa Aktualisiert: 04.04.2023, 17:09
Petra Grimm-Benne spricht auf einer Pressekonferenz.
Petra Grimm-Benne spricht auf einer Pressekonferenz. Ronny Hartmann/dpa/Archivbild

Magdeburg - Sachsen-Anhalts Bevölkerung ist mit den 54 Krankenhausstandorten im Land gut mit medizinischen Leistungen versorgt. Während die Situation in den Ballungszentren sogar sehr gut ist, ist die Altmark dagegen unterversorgt. Im Norden des Landes kommt es teilweise zu langen Fahrzeiten auch bei Angeboten der Basisversorgung, wie aus einem Gutachten zur Zukunft der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt hervorgeht, das Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne am Dienstag in Magdeburg vorstellte.

„Wir brauchen alle Krankenhausstandorte in der Fläche“, sagte die SPD-Politikerin. Es sei aber eine Mammutaufgabe, künftig eine gute ambulante und stationäre Versorgung im Land aufrecht zu erhalten.

Insgesamt gibt es in Sachsen-Anhalt aktuell 45 Krankenhäuser. Deren wirtschaftliche Lage sei angespannt, so das Fazit der Gutachter. Das Land sei gefordert, mehr Geld für Investitionen bereit zu stellen. Das Gutachten hat die „PD - Berater der öffentlichen Hand GmbH“ erstellt. Die Gesellschaft ist ein Beratungsunternehmen für Bund, Länder, Kommunen. Das sind die Ergebnisse:

Basisversorgung am Wohnort, komplexe Behandlungen bündeln

Die Gutachter empfehlen eine gestufte Versorgung. Internistische und chirurgische Leistungen soll es weiterhin wohnortnah geben. Je spezieller die Eingriffe sind, desto stärker sollen diese an großen Krankenhäusern und Universitätskliniken konzentriert werden. Aktuell halten sich nicht alle Krankenhäuser an die Mindestvorgaben bei bestimmten Eingriffen, die bessere medizinische Ergebnisse sicherstellen sollen.

Nötig sei eine stärkere Zentralisierung, sagte Matthias Schatz von PD. Ein Beispiel: schwere Pankreas-Operationen. Für Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse gilt ab 2025 eine Mindestmenge von 20 Fällen pro Jahr. Voraussichtlich werden dann nur noch fünf bis sieben Krankenhäuser diese Mindestzahlen erfüllen. Zuletzt haben bis zu 18 Kliniken pro Jahr derartige Operationen durchgeführt. Viele haben die Mindestmengen nicht oder nur knapp erreicht.

Defizite bei Herzinfarkten und Schlaganfällen

Die durchschnittliche Fahrzeit bis zum nächsten Krankenhaus mit Notaufnahme liege im Durchschnitt der übrigen Flächenländer, stellen die Gutachter fest. Der Rettungsdienst sei mit einer Vielzahl an Standorten und Notfallfahrzeugen breit aufgestellt. Empfohlen wird aber eine Prüfung, ob neben Halle und Magdeburg ein weiterer Hubschrauber im Norden des Landes die Versorgung deutlich verbessern könne, „insbesondere bei schweren und zeitkritischen Erkrankungen“.

Im Bereich der Kardiologie und der Schlaganfallversorgung stellten Gutachter Defizite fest. Es würden zu viele Patientinnen und Patienten in Kliniken behandelt, die dafür nicht geeignet seien, weil beispielsweise die entsprechende Ausstattung fehle. „Das ist etwas, was wir eigentlich nicht wollen“, sagte Gutachter Schatz. Es sei eine bessere Steuerung notwendig, damit bereits Verdachtsfälle in geeignete Krankenhäuser kämen.

Zu viele Betten, zu wenig Personal

2021 standen in Sachsen-Anhalt rund 14.600 Betten in Kliniken für die vollstationäre Versorgung zur Verfügung. Bezogen auf die Einwohnerzahl stellen die Gutachter eine überdurchschnittliche Kapazität fest. Aufgrund demografischer Faktoren und der Tatsache, dass immer mehr Leistungen ambulant erbracht werden, könnten bis 2035 rund 2000 bis 4000 Betten abgebaut werden.

Der Mangel an medizinischem Fachpersonal werde dazu führen, dass bestimmte Leistungen in Kliniken nicht mehr angeboten werden können. Dies betreffe beispielsweise einige Kinderkliniken oder Geburtsabteilungen. „Das Hauptproblem ist der Fachkräftemangel, das Geld ist im Zweifel da“, sagte Schatz.

Geburtshilfe oft nicht wirtschaftlich

In den meisten Regionen kann in weniger als 30 Minuten eine Geburtsklinik erreicht werden, stellenweise sind es zwischen 45 und 60 Minuten. Bereits heute schaffen aber einige der Geburtskliniken nicht oder nur knapp 300 Geburten pro Jahr. Die Hälfte hat auch Probleme, „die meist als wirtschaftliche Untergrenze angesehenen 600 Geburten“ zu erreichen.

Personalausfälle führen immer wieder zu temporären Schließungen. Für eine akzeptable Versorgung im Land seien aber fast alle Geburtskliniken notwendig, so die Gutachter. Beispielsweise würde ein Wegfall der Klinik in Gardelegen, die nicht auf 300 Geburten komme, zu einer schwierigen Versorgungssituation in der Region führen, hieß es. Die aktuell vorhandenen Stationen sollten unbedingt so lange wie möglich erhalten werden, sagte Gutachter Schatz. Dies werde aber schwieriger werden.

Universitätskliniken sollen stärker steuern

Die Universitätskliniken sollen künftig eine stärkere Steuerung übernehmen. Nötig sei eine „koordinierende Rolle und die Projektmanagementkompetenz, um neue Ansätze zur Verbesserung der Versorgung in die Umsetzung zu bringen“. Durch Telemedizin sollen Experten beispielsweise kleinere Kliniken unterstützen. So könnten Spezialisten in die Behandlung eingebunden werden, ohne dass die Patienten lange Fahrzeiten auf sich nehmen müssten, hieß es. Die Versorgung müsse insgesamt effizienter werden, sagte der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Halle, Thomas Moesta.