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Großbritannien Großbritannien: Welches Brautkleid wird Kate tragen?

Von BARBARA KLIMKE 15.04.2011, 18:14

Halle (Saale)/MZ. - Glück war nötig, um an einem windigen und nassen Londoner Februartag 1840 einen Blick auf das Brautkleid zu erhaschen. Tausende von Menschen drängten sich in dichten Reihen an der kurzen Strecke zwischen dem Buckinghampalast und der Kapelle im St. James' Palace, als die Kutsche von Königin Victoria vorbeirollte. Das Augenmerk der meisten Schaulustigen war auf das Hochzeitskleid gerichtet, das, damals wie heute, wegen seines Designs und der daraus abzulesenden Botschaft im Mittelpunkt einer königlichen Trauung stand.

Zu Zeiten Victorias hielt sich das Interesse ihrer Zeitgenossen sehr in Grenzen im Vergleich zu dem Rummel, den das Brautkleid von Kate Middleton am 29. April 2011 auslösen wird: Sobald die bürgerliche Kate vor der Westminster Abbey aus der Limousine steigt, gibt der Palast den bisher geheim gehaltenen Namen des Modeschöpfers bekannt. Im selben Moment wird die Robe zum meistkommentierten Kleidungsstück der Welt. Und noch ehe Kate mit Prinz William die Ringe tauscht, gehen bereits die Kopien des Kleides in die Produktion.

Schon 1947, als Prinzessin Elizabeth, die heutige Queen, heiratete, musste der königliche Schneider die Atelierscheiben weiß tünchen lassen. 1981, vor der Vermählung von Williams Eltern, Prinzessin Diana und Thronfolger Charles, wurde die Beschäftigung mit dem Brautkleid zur öffentlichen Obsession. Die Designer, David und Elizabeth Emanuel, hatten derartige Angst vor dem Diebstahl ihrer Skizzen, dass sie mit Hilfe eines Krans einen tonnenschweren Safe durchs Fenster ihres Studios im Westend wuchten ließen: Jeden Abend wurden Schnitte und Seidenproben eines Rüschentraums weggeschlossen, der nach Einschätzung der Historikerin Joanna Marschner, einer Expertin für royale Roben, zwei Jahrzehnte lang den Trend für Prinzessinnen-Hochzeitskleider bestimmte.



Und doch war es nicht Diana, sondern Victoria, die eine königliche Brautmode erfand, an der sich die westliche Welt bis heute orientiert. Ausgerechnet die Monarchin, die sich im späteren Leben als Matrone in schwarzen Witwenröcken stilisierte, schuf an jenem Wintertag 1840 in einem weißen Kleid, mit Orangenblüten im Haar den modernen Hochzeits-Look.

Bis dahin waren königliche Hochzeiten Ereignisse mit tiefer Bedeutung für das Leben der Nation. Sie regelten die Erbfolge und zementierten die politische Stabilität im Land. Die Hochzeitskleider spiegelten die Geltung dieser Allianzen für den Staat - als dekorative Prunkgewänder: Eine königliche Braut trug Kleider aus gold- und silberdurchwirkten Stoffen, Edelsteine und den Hermelin-besetzten Mantel; der königliche Bräutigam präsentierte seine Ordenssammlung an der Brust. "Es waren Schaustücke, die das Selbstbewusstsein der Nationen ausdrückten", sagt Joanna Marschner, die als Kuratorin die historische Kleidersammlung des Kensington Palastes verwaltete.

Victoria, jung, klug und mit 18 gekrönt, bricht mit der Tradition. Sie hatte den britischen Premierminister beizeiten darüber informiert, dass sie nicht zu heiraten gedachte - nur um sich mit 20 Hals über Kopf in Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha zu verlieben. Sie widerrief ihren früheren Entschluss, stand nun aber vor dem Problem der Kleiderwahl. Victoria war Regentin einer Weltmacht; ihr Verlobter kam aus einem Zwergstaat. Der dynastische Höhenunterschied hätte sich unweigerlich in der Hochzeitsgarderobe widerspiegeln müssen, und eine Demütigung wollte Victoria ihrem geliebten Albert ersparen. Sie entschied sich für ein gedeckt-weißes Seidenkleid in höfischem Stil und den Verzicht auf alle politischen Insignien. Statt eines Diadems trug sie einen Blütenkranz.

Victoria trat als erste Königin in einer Aufmachung vor den Altar, die theoretisch auch andere Mädchen in England hätten wählen können. Aber sie legte großen Wert darauf, dass ihr Gewand eine dezente Botschaft enthielt: Es war gewebt aus englischer Seide; bedeckt mit englischer Spitze; und entworfen von einem englischen Maler, William Dyce. Als ihr ältester Sohn, der Thronfolger, 1863 Alexandra von Dänemark ehelichte - ebenfalls in Weiß - wachte sie darüber, dass die Brüsseler Spitze der Schwiegertochter durch Spitze aus Honiton in Devon ersetzt wurde. Solch subtile, in Stoff verpackte Botschaften sind bis heute fester Bestandteil royaler Mode.

Vor diesem Hintergrund klingt es erstaunlich, dass das Designer-Paar, das 1981 für das Brautkleid Prinzessin Dianas verantwortlich war, sich an keine Vorgaben des Hofes erinnern kann: "Wir haben niemals Ratschläge vom Buckinghampalast erhalten. Wir haben das wichtigste Kleid des Jahrhunderts entworfen und wurden völlig uns selbst überlassen", sagte Elizabeth Emanuel dieser Tage. Sie hätten auch ein tomatenrotes Hochzeitskleid schneidern können, glaubt sie. Aber in Wirklichkeit war das wohl nie eine Option. Für königliche Brautkleider gab und gibt es eine Konvention, und der Palast konnte auf die Wahrung der Etikette vertrauen. Auch die Emanuels verwendeten, so weit wie möglich, britische Materialien. Das Design wählte Diana aus. Sie war durch die Modezeitschrift Vogue auf David und Elizabeth Emanuel aufmerksam geworden. Der Stil, weiche Formen, Rüschen-Look, traf den Nerv der Zeit sowie die romantischen Vorstellungen der Braut. 50 bis 60 Meter Stoff steckten allein im Petticoat. Die Trauung fand in der riesigen St. Paul's Cathedral statt, und das Kleid wurde den monumentalen Raumdimensionen angepasst. Diana trug die längste Schleppe der Geschichte königlicher Hochzeiten. Das Zuschneiden der Acht-Meter-Stoffbahn fand in den langen Korridoren des Buckinghampalastes statt. Selbst die Sohlen der handgefertigten Hochzeitsschuhe bemalte der Schuster mit Blumenarabesken und Monogramm. Die Designer hatten, nach eigenem Urteil, "das Märchenkleid des 20. Jahrhunderts" geschaffen.

Ältere Generationen hatten das Märchenkleid des 20. Jahrhunderts bereits im November 1947 gesehen. Als Prinzessin Elizabeth, die heutige Queen, den Marineleut nant Philip Mountbatten in der Westminster Abbey heiratete, lag das Kriegsende gerade zwei Jahre zurück. In Großbritannien waren Lebensmittel rationiert; bei Bekleidung musste laut Regierungsanordnung Stoffverschwendung, etwa durch nutzlose Taschenklappen, vermieden werden. Nur das Hochzeitskleid der künftigen Königin war von allen Beschränkungen ausgenommen. Trotzdem sandten junge Frauen im Land Elizabeth ihre Kleider-Coupons als Brautgeschenk zu - und Elizabeth schickte sie alle mit Dank zurück.

Es war der Stil, der das von Norman Hartwell kreierte Kleid außergewöhnlich machte: Elizabeths Mutter, die spätere Queen Mum, hatte 1923 noch topmodisch im schlanken 20er-Jahre-Look geheiratet. Hartnell indes ließ sich von einem Renaissance-Gemälde, Botticellis Primavera, inspirieren. Im Original ist Primavera, die Verkörperung des Frühlings, mit langen Blumengirlanden geschmückt; dieselbe Bildersprache, Blüten als Symbole der Erneuerung, übertrug er auf Elizabeths Hochzeitskleid. "Es war ein Design für eine Nation, hinter der eine Katastrophe liegt, ein Versprechen für die Zukunft", sagt Joanna Marschner. Noch einmal wurden, wie bei königlichen Hochzeiten seit alters üblich, die Fäden der Geschichte ins Gewand gewebt.