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Großbritannien Großbritannien: Der Palast brennt

03.06.2002, 11:29
Buckingham Palace
Buckingham Palace PRESS ASSOCIATION

London/dpa. - Die Schlagzeilen am Montag klangen dramatisch: «PerfektesJubiläumswochenende geht in Rauch auf», titelte der «Independent».Der «Daily Telegraph» kommentierte: «Nach dem Tod ihrer Mutter undihrer Schwester ist das Feuer ein weiterer Schlag für die Königin ineinem Jahr persönlicher Tragödien.» Wenigstens stellte sich derSchaden als gering heraus: Kunstwerke und Möbel waren verschontgeblieben, nur die Teppiche hatten unter Löschwasser gelitten. Dochbei der Königin wurden ohne Zweifel böse Erinnerungen an den schwerenBrand wach, der vor zehn Jahren Schloss Windsor teilweise zerstörthatte. Der Schaden betrug 60 Millionen Pfund (100 Millionen Euro).Damals sprach die Queen von ihrem «annus horribilis», ihremschrecklichen Jahr.

Das Feuer im Buckingham-Palast war am Sonntagabend zwischen demBallsaal und den Staatsgemächern ausgebrochen. Im Garten probtengerade Stars wie Phil Collins, Eric Clapton oder Atomic Kitten fürein Pop-Konzert am Montagabend, ein Höhepunkt der viertägigen Feiernzum Thronjubiläum. Das gesamte Gelände wurde sofort geräumt. Währenddie Feuerwehr mit 20 Wagen und 100 Mann anrückte, versammelten sichvor dem «Buck House» - wie der Palast in London genannt wird -mehrere tausend Menschen. Brian May, der ehemalige Queen-Gitarrist,schilderte die Atmosphäre: «Hier sitzt eine enorme Menge extremberühmter Leute auf dem Rasen und hängt am Handy. Es wirkt alles wiebei einem Wohltätigkeitskonzert.» Doch am Dach züngelten Flammen, unddarüber türmte sich eine große Rauchwolke. Nach knapp zwei Stundenwar das Feuer unter Kontrolle.

Die Ursache war auch am Montag noch unklar. Mit den Proben für dasPopkonzert habe das Feuer aber nichts zu tun gehabt, versicherteSimon Walker, der Pressechef des Buckingham-Palastes. Er war vorallem bemüht, das am Samstag so vielversprechend angelaufeneJubiläumswochenende zu retten. Der Koordinator des Popkonzerts, NickVaughan, beschwor den «Geist von Dünkirchen», der 1940 dieEvakuierung der in Frankreich eingeschlossenen britischen Truppenermöglicht hatte: Niemand dürfe jetzt den Kopf hängen lassen.

Doch nicht nur das Feuer, auch die schlechte Leistung derenglischen Elf bei ihrer ersten WM-Vorstellung am Sonntag gegenSchweden drohte die Festtagfreude zu vermiesen. Die «Times»versuchte, ihren Lesern Mut zu machen: «Wir mögen die vierapokalyptischen Reiter gesehen haben, aber dies ist noch nicht dasEnde der Welt.» Dazu kam, dass die britischen Medien mit einwöchigerVerspätung eine Titelgeschichte des deutschen Magazins «Der Spiegel»entdeckt hatten, in der ihre Königin als «eher unscheinbaresMuttchen» und ihr Land als ein «auf europäisches Mittelmaßgeschrumpftes Reich» tituliert wurden.

Es war der Königshaus-Experte der ARD, Rolf Seelmann-Eggebert, derin dieser Situation Trost spendende Worte für die Nation fand:«Republiken bringen nicht das gleiche Maß an Glamour zu Stande wieMonarchien», versicherte er im «Daily Telegraph». «Großbritannien hatim Moment genauso große Chancen, eine Republik zu werden, wie wir, inBerlin einen Kaiser zu bekommen.»