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Filmfestspiele Goldener Löwe in Venedig für Jim Jarmusch

Der US-Amerikaner erhält für sein Drama über Familiendynamiken den Hauptpreis des Festivals. Die zweitwichtigste Auszeichnung geht an den Gaza-Film „The Voice of Hind Rajab“.

Von dpa Aktualisiert: 06.09.2025, 22:38
Jim Jarmusch ist für Kultfilme wie „Night on Earth“ bekannt.
Jim Jarmusch ist für Kultfilme wie „Night on Earth“ bekannt. Alessandra Tarantino/Invision/AP/dpa

Venedig - Der US-Regisseur Jim Jarmusch ist für seinen Film „Father Mother Sister Brother“ mit dem Goldenen Löwen des Filmfestivals Venedig ausgezeichnet worden. Das gab die Jury bekannt. Der zweitwichtigste Preis der Filmfestspiele, der Große Preis der Jury, ging an „The Voice of Hind Rajab“ von Kaouther Ben Hania über das palästinensische Mädchen Hind Rajab. 

Mehrere Menschen nutzten die Bühne der Preisverleihung für politische Reden, einige drückten ihre Solidarität mit den Palästinensern aus. Der Hamas-Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 als Auslöser des Gaza-Krieges wurde nicht thematisiert.

Gewinner-Film mit Tom Waits, Cate Blanchett und Adam Driver

Jarmuschs Gewinner-Film setzt sich in drei Episoden mit den komplexen Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern auseinander - und der Sprachlosigkeit, die dabei oft herrscht. Unter anderen spielen Cate Blanchett, Tom Waits, Adam Driver, Charlotte Rampling und Vicky Krieps mit.

Jarmusch (72) setzt in dem Film auf subtile Beobachtungen und wiederkehrende Motive. Gesten, Blicke und Pausen verraten in „Father Mother Sister Brother“ mehr über die Beziehungen der Familienmitglieder, als Worte es könnten. Der US-Amerikaner zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen Autorenfilmern („Night on Earth“, „Only Lovers Left Alive“). 

Er trug auf der Bühne einen Anstecker mit der Aufschrift „Enough“, den auch Kaouther Ben Hania an ihrem Kleid befestigt hatte. Der Anstecker bezog sich auf den Gaza-Krieg, Ben Hania sagte dazu in ihrer Rede: „Ich fordere ein Ende dieser unerträglichen Situation. Genug ist genug.“

Jarmusch sagte: „Kunst muss sich nicht direkt mit Politik befassen, um politisch zu sein. Sie kann Empathie und Verbundenheit zwischen uns erzeugen, was tatsächlich der erste Schritt zur Lösung unserer Probleme ist.“

Zweitwichtigster Preis für „The Voice of Hind Rajab“

In „The Voice of Hind Rajab“ erzählt die Tunesierin Kaouther Ben Hania von den letzten Momenten im Leben des palästinensischen Mädchens Hind Rajab im Gazastreifen. Es starb im Januar 2024 bei der Flucht seiner Familie aus der Stadt Gaza. Der Film sowie mehrere unabhängige Untersuchungen legen nahe, dass Hind Rajab und Teile ihrer Familie von israelischen Streitkräften getötet wurden.

Das israelische Militär bestreitet, den Angriff durchgeführt zu haben und teilte mit, es hätten sich zu der Zeit keine Truppen vor Ort befunden. Das Werk, das den Hamas-Terrorangriff auf Israel nicht thematisiert, wurde unter anderen von Brad Pitt und Joaquin Phoenix produziert.

Kaouther Ben Hania widmete die Auszeichnung der Hilfsorganisation Palästinensischer Roter Halbmond und sagte, Hind Rajabs Geschichte sei die Geschichte eines ganzen Volkes. Sie wiederholte ihren Vorwurf, Israel begehe einen Völkermord.

Den Genozid-Vorwurf weisen Israel und auch die deutsche Regierung zurück. Der Begriff Völkermord bezeichnet laut UN-Konvention die Absicht, eine Bevölkerungsgruppe zu vernichten. Israel strebt nach eigenem Bekunden die Zerschlagung der islamistischen Terrororganisation Hamas an, nicht jedoch die Zerstörung des palästinensischen Volkes.

Beste Regie: Benny Safdie für „The Smashing Machine“

Der Silberne Löwe für die beste Regie ging an den US-Amerikaner Benny Safdie für sein Wrestling-Drama „The Smashing Machine“ mit Dwayne „The Rock“ Johnson und Emily Blunt.

Der jüdische Regisseur Safdie sagte auf der Bühne: „Empathie ist heute wichtiger denn je. Ich denke, das ist etwas, worum wir uns alle bemühen sollten.“

Weitere Auszeichnungen gingen an: die Chinesin Xin Zhilei für ihre Rolle in „The Sun Rises On Us All“ von Cai Shangjun (beste Schauspielerin), den Italiener Toni Servillo für seine Rolle in „La Grazia“ von Paolo Sorrentino (bester Schauspieler) sowie die Franzosen Valérie Donzelli und Gilles Marchand für das beste Drehbuch mit „À pied d'œuvre“. 

Botschaft des Kardinals am Ende der Preisverleihung

Den Spezialpreis der Jury erhielt der Italiener Gianfranco Rosi für seine Neapel-Doku „Sotto le nuvole“. Die Schweizerin Luna Wedler wurde für ihre Rolle in „Silent Friend“ von Ildikó Enyedi mit dem Marcello-Mastroianni-Preis für die beste Jungdarstellerin ausgezeichnet.

Die Preisverleihung endete mit einer Botschaft des Kardinals Pierbattista Pizzaballa, dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem. „Wir sind so erfüllt von Schmerz, dass für den Schmerz anderer kein Platz zu sein scheint“, sagte er und sprach von einem „Klima immer stärker werdenden Hasses zwischen der jüdischen und der palästinensischen Bevölkerung“.

Die 82. Filmfestspiele Venedig, die am 27. August begonnen hatten, zählen neben den Filmfestspielen in Cannes zu den bedeutendsten der Welt. Im diesjährigen Wettbewerb hatten 21 Werke um die Hauptpreise konkurriert.

Die Auszeichnungen wurden von einer internationalen Jury verliehen. Vorsitzender war der US-amerikanische Regisseur Alexander Payne.