Gesellschaft Gesellschaft: Sprachwitz der DDR lebte von Verbotenem
Greifswald/dpa. - Die Greifswalder Germanistin Anke Blasius hat jetzt die Witze derOstdeutschen wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Sie ist sichsicher: «Die DDR-Deutschen hatten zwar keine andere Sprache als dieWestdeutschen, aber einen anderen Sprachgebrauch.» Und aus diesementstand die einzigartige Mischung am Rande des Verbotenen. Der DDR-Bürger habe gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen und daher einebesondere Sensibilität für die Sprache entwickelt, sagt die 35-jährige Wissenschaftlerin.
Die Witze waren gesellschafts- und sprachkritisch. Der Witz «Sagmal ein anderes Wort für saure Gurken: Bananen in den Farben der DDR»habe eben nur funktionieren können, weil er die Redundanz undLeerformeln im ostdeutschen Sprachgebrauch gezielt auf die Schippenahm, argumentiert Blasius. Genau wie der folgende Witz, der eineSatire auf die Realität sozialistischer Kampfeslosungen war: «KennstDu schon die Losung zum Pfingsttreffen der FDJ? Dem Feind dasSchwert, dem Freund die Scheide.»
Nach den Worten der Wissenschaftlerin hatte zudem der Witz einewichtige psychologische Funktion im Leben des DDR-Bürgers: Nirgendwosonst durfte er relativ offen Staatskritisches äußern. «Erzähler undZuhörer konnten über den Witz Spannungen abbauen, die sich im Alltagangestaut hatten», sagt die Wissenschaftlerin. «Wenn dann beidelachten, zeigte das eine ähnliche politische Grundhaltung.»
Der Witz wird heute von immer weniger Menschen verstanden, ist dieErfahrung der Germanistin. Mit dem Untergang der DDR hat auch dertypische DDR-Humor seine Sprache verloren. Heute hätten nicht nurWestdeutsche Probleme mit dem politischen Witz der Ostdeutschen, aucheinstige DDR-Bürger täten sich schwer, den Witz im Witz zu verstehen.«Mit der DDR ist auch der typische DDR-Sprachwitz gestorben, der inkeine andere Zeit transponiert werden kann.»
Und heute? Eine Demokratie habe weniger politische Witze, weil dieihnen eigene Ventilfunktion nicht mehr notwendig sei, sagt Blasius.«Wenn der Bundesverteidigungsminister mit seiner Gräfin im Poolplanscht, ist das Realsatire, die durch keinen Witz übertroffenwerden kann.»