Gesellschaft für Sport und Technik Gesellschaft für Sport und Technik: Wie die DDR junge Menschen zu Soldaten drillte

Halle (Saale) - Die Bezeichnung Gesellschaft für Sport und Technik, kurz GST, mag heute vor allem nach Sport, Spiel und Spaß klingen. Ähnlich wie bei den in der DDR verbreiteten Stationen junger Techniker und Naturforscher konnte man bei der 1952 gegründeten und 1990 aufgelösten GST zwar auch dem Modellbau nachgehen, doch in erster Linie zielten die Betätigungsmöglichkeiten bei dieser paramilitärischen Organisation darauf ab, Nachwuchs für die Nationale Volksarmee (NVA) zu rekrutieren.
Zur „Schule der Soldaten von morgen“ avancierte die GST spätestens mit dem Jahr 1962, als die Wehrpflicht in der DDR eingeführt wurde. Die GST als „Vorschule der Armee“ wurde in den folgenden Jahren umso wichtiger, da die Begeisterung der jungen Männer in der DDR für einen längeren Dienst bei den bewaffneten Organen immer mehr schwand.
Lockmittel: Führerschein für kleines Geld
Im kollektiven Gedächtnis fest verankert ist vor allem das Wissen von DDR-Bürgern, dass man bei der GST für kleines Geld den Führerschein machen konnte: Gleich, ob man die Berechtigung, ein Moped zu lenken, erwerben wollte oder doch den LKW-Führerschein.
Sicherlich erinnern Sie sich noch an die matt-olivgrünen Lastwagen des Typs W 50, die durch die Städte kurvten und mit einem weißen „L“ auf blauem Grund an Bug und Heck signalisierten, Fahrschulfahrzeuge der GST zu sein.
Diese Kfz waren - zumindest auf den ersten Blick - nur durch das Kennzeichen von NVA- und Polizei-Fahrzeugen zu unterscheiden: GST-Fahrzeuge hatten ein gelbes Nummernschild, auf dem neben dem Buchstaben für den jeweiligen DDR-Bezirk eine vierstellige Zahlenfolge enthalten war.
Einführung der Wehrpflicht ändert die GST nachhaltig
In den ersten zehn Jahren ihrer Existenz stand bei der GST das „frohe Jugendleben“ im Vordergrund, wie Peter Joachim Lapp in seiner militärpolitischen Studie der DDR-Wehrorganisation notiert. „Der Autor dieser Studie, Ende der 50er Jahre selbst GST-Mitglied im thüringischen Rudolstadt an der Saale, erinnert sich gern an diese Zeit“, so Lapp.
Doch mit der Wehrpflicht, die nur vier Monate nach dem Mauerbau vom August 1961 eingeführt wurde, änderte sich die Ausrichtung der GST ebenso stillschweigend wie grundlegend: „Disziplin und Ordnung bekamen höhere Bedeutung, militärähnliche Riten hielten Einzug, darüber hinaus wurde eine Uniformierung der (…) eingeführt sowie das Wettbewerbs- und Auszeichnungswesen stark ausgeweitet.“ Darüber hinaus übernahmen Offiziere und Reservisten aus Armee und Flotte alle wichtigen Funktionen in dem Verband.
Das alles geschah mit dem Ziel, „die Funktion einer Schule der unmittelbaren Vorbereitung der Jugend auf den Ehrendienst in den bewaffneten Kräften“ zu erfüllen, wie es im GST-Statut des Jahres 1968 formuliert wurde. Um eine möglichst lückenlose frühmilitärische Erziehung zu erreichen, fuhr die GST, die vom Verteidigungsministerium angeleitet wurde, zweigleisig: Es gab einerseits das wehrsportliche Programm, an dem man in den verschiedenen „Sektionen“ und „Stützpunkten“ freiwillig teilnehmen konnte, andererseits die vormilitärische Ausbildung, die verpflichtend für alle DDR-Jugendlichen war.
Vormilitärische Ausbildung bekommt immer mehr Gewicht
Die vormilitärische Ausbildung bekam im Lauf der Jahre immer stärkeres Gewicht, weshalb, wie Lapp berichtet, „Funktionäre und Journalisten schon Mitte der 50er Jahre Kritik einstecken mussten, wenn sie die hobby- und freizeitsportliche Seite zu sehr betonten“.
Für jene DDR-Jugendlichen, die nicht die Absicht hatten, eine militärische Laufbahn einzuschlagen, war die obligatorische vormilitärische Ausbildung, die für männliche Schüler ab dem 16. Lebensjahr unter anderem in sogenannten Wehrlagern stattfand, allenfalls ein notwendiges Übel: „Viele sahen in den Übungen, die stunden-, tage- und wochenweise in örtlichen und zentralen Ausbildungslagern der GST zu absolvieren waren, einen vorgezogenen Wehrdienst“, notiert Lapp.
Entsprechend wurde die GST von den DDR-Jugendlichen als „Gesellschaft für Mord und Technik“ verulkt. Die konnten seit Mitte der 80er Jahre mehrheitlich keinen Sinn mehr in der zwangsweisen vormilitärischen Ausbildung erkennen, wie seinerzeit im Auftrag der GST durch das Leipziger Zentralinstitut für Jugendforschung erarbeitete „Intervall- und Querschnittstudien“ belegten.
Höchste Priorität: Nachwuchs für die Streitkräfte rekrutieren
Dennoch ließ man nichts unversucht, um möglichst viel Nachwuchs für die DDR-Streitkräfte zu bekommen. Um in diesem Punkt erfolgreicher zu werden, dürfte auch die Übernahme der Anleitung und Kontrolle der GST durch den „Hauptinspektor der NVA“ in der zweiten Hälfte der 70er Jahre erfolgt sein.
Höchster Repräsentant der GST war stets ein hoher Offiziersrang: Ab 1982 stand ein Vizeadmiral der Seestreitkräfte an der Spitze, zuvor war es ein Generalleutnant der NVA.
Nicht nur offiziell, auch inoffiziell überließ man in den Reihen der GST nichts dem Zufall: Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatte die GST-Schlüsselpositionen mit Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) besetzt. Nicht nur der Zentralvorstand und die Bezirksvorstände waren infiltriert, sondern auch die Kreisvorstände: Bei diesen hatten entweder der Stellvertreter des Vorsitzenden oder der Instrukteur für Ausbildung sowie die Sektorenleiter als IM zu berichten. Beim Mielke-Ministerium selbst war das Referat III der Abteilung 3 der Hauptabteilung XX für die GST zuständig.
Verflechtungen mit dem Geheimdienst
Sicher hatten Jugendliche, die sich bei der GST dem Flug-, Tauch- oder Modellsport widmeten, keine Ahnung, wie sehr dieser paramilitärische Verband mit dem Geheimdienst verflochten war.
So gilt auch hier, dass die persönliche Erinnerung manch früheren GST-Mitglieds eine andere ist als das, was Autoren wie Peter Joachim Lapp über die DDR-Wehrorganisation in den Archiven ermitteln konnten. (mz)
››Peter Joachim Lapp: „Gesellschaft für Sport und Technik - Schule der Soldaten von morgen“, Helios Verlag, 166 S., 22 Euro
