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Geschichte Geschichte: Wie schmeckte die DDR?

23.04.2009, 06:37
Christa Winkelmann, Geschäftsführerin des Buchverlag für die Frau, hält das Buch «Kochen» in Leipzig in den Händen. Der Klassiker ist mittlerweile mehr als eine Million mal verkauft worden. Es ist somit eines der wenigen Bücher, welches trotz den Wende- und Nachwendewirren kontinuierlich verlegt wird. Was auf den Tisch kam, hatte in der DDR der Verlag für die Frau in der Hand. (FOTO: DPA)
Christa Winkelmann, Geschäftsführerin des Buchverlag für die Frau, hält das Buch «Kochen» in Leipzig in den Händen. Der Klassiker ist mittlerweile mehr als eine Million mal verkauft worden. Es ist somit eines der wenigen Bücher, welches trotz den Wende- und Nachwendewirren kontinuierlich verlegt wird. Was auf den Tisch kam, hatte in der DDR der Verlag für die Frau in der Hand. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Leipzig/dpa. - Die Erinnerungen an diese Kochkünste fallen sehr unterschiedlich aus:Die einen bekommen noch heute «lange Zähne», wenn sie nur an diedamals gängigen «Sättigungsbeilagen» denken. Andere schwärmen vondeftiger Hausmannskost mit ordentlichen Portionen Fleisch, das in derDDR billig war. Sterne vom Gourmet-Himmel konnten damit aber nichteingeheimst werden. Am Herd war das Talent zum Improvisieren gefragt.

Vielen Ossis liegt der Geschmack der Standards noch auf der Zunge:Soljanka, Spirelli mit Tomatensoße und hinein geschnippeltenWürstchen, bulgarischer Schopska-Salat, Würzfleisch, russischePelmeni (gefüllte Teigtaschen) mit fetter Sahne. «Hier kamTraditionelles auf den Tisch», erinnert sich der Vorsitzende desLandesverbandes der Köche Mitteldeutschland, Matthias Köhler.Buletten, Klöße, Schnitzel und Braten wurden öfter serviert alswestlich der Elbe. Obwohl die DDR eine große Fischfangflotte hatte,sahen die DDR-Bürger nicht viel davon: der Fang wurde für Devisen inden Westen verkauft.

Dort fanden schon früh italienische, griechische oder asiatischeSpezialitäten Eingang in die Küche, befördert durch den Zustrom vonausländischen Arbeitern. Die Ostdeutschen ließen sich dagegen eheraus dem Ostblock kulinarisch inspirieren - notgedrungen, denn inswestliche Ausland kamen sie ja nicht. «Wir schmorten im eigenenSaft», sagt Köhler, der heute in einem großen Leipziger Hotel am Herdsteht.

Aus dem Westen geschmuggelte Rezepte brachten den Ost-Hobby-Kochnicht weiter: wichtige Zutaten fehlten einfach, wie exotisches Obstund Gemüse, aber auch Olivenöl und Gewürze. «Es musste verarbeitetetwerden, was vorhanden war», sagt Köhler. An heimischen Produkten wieKartoffeln, Kohl und Äpfeln mangelte es eher nicht.

Doch nicht jeder war nur auf das Angebot des sozialistischenHandels angewiesen: die eine oder andere Leckerei gelangte mit OmisWestpaket in den Arbeiter-und-Bauern-Staat. Wer auch noch Westgeldhatte, war gut dran und konnte in den Intershops Zutaten fürsFestessen kaufen. Zudem boten «Delikat»-Läden zu hohen Preisen fürDDR-Geld Spezialitäten an.

Bei dem Mangel wurde vieles selbst gemacht, Ideen waren gefragt.Da wurde Eierlikör angesetzt, aus Quark, Butter und grobem Pfefferein Pfeffer-Käse angerührt oder Nudeln selbst gewalzt. Aus drei Kuba-Orangen, zwei Litern Wasser und einigen Spritzern Citronensäureentstand «Orangenjuice Made in GDR».

Was auf den Tisch kam, hatte in der DDR der Verlag für die Frau inder Hand. Quasi als Monopolist sorgte er für die Kochbücher, die dasGeschehen am Herd weitgehend bestimmten. Experimente mit exotischenZutaten, die nicht im Kaufhallenregal standen, wurden nichtveröffentlicht. «Ein Rezept für Obstsalat mit Bananen und Orangenwäre undenkbar gewesen», sagt Christa Winkelmann, Geschäftsführerindes Buchverlages für die Frau (Leipzig).

Etwa 50 Bücher zum Thema Kochen wurde hier zu DDR-Zeitenherausgegeben. Bestseller seit 30 Jahren ist das Buch «Kochen». «Mehrals 1,7 Millionen Exemplare wurden bislang verkauft. Viele DDR-Bürgerhaben damit kochen gelernt», sagt Winkelmann. «Und die Oma gibt dasBuch heute an den Enkel weiter.»

Lorbeeren blieben den Ost-Köchen aber versagt. Tester für denMichelin-Restaurantführer kamen erstmals nach der Wende in den Osten.Der erste Stern ging 1995 an das Dresdner Restaurant der FamiliePattis. Dagegen kam der Reiseführer Gault Millau schon zu DDR-Zeiten.15 Punkte gingen an das Ostberliner Restaurant «Fioretto» - einzigesitalienisches Restaurant in der DDR. Manfred Kohnke, Chefredakteurvon Gault Millau: «Bei den Noten wurde ausnahmsweise nicht dieProduktqualität mitbewertet, weil die bedauernswerten Köche in derDDR nehmen mussten, was sie kriegen konnten.»

Eine Soljanka, die ukrainische Wurstsuppe mit Paprika, sauren Gurken und Zwiebeln. Die Soljanka gehört zu den beliebtesten ostdeutschen Gerichten; mittlerweile ist sie in ganz Deutschland bekannt. (FOTO: DPA)
Eine Soljanka, die ukrainische Wurstsuppe mit Paprika, sauren Gurken und Zwiebeln. Die Soljanka gehört zu den beliebtesten ostdeutschen Gerichten; mittlerweile ist sie in ganz Deutschland bekannt. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild