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Justiz Gefängnis-Grün zum Kauf: Produkte aus der Haft

Häftlinge sind in Thüringen gehalten, etwa in Gefängniswerkstätten zu arbeiten. Produkte, die dort entstehen, sind nun wieder bei einem öffentlichen Basar erhältlich. Die Arbeit hinter Gittern ist derweil umstritten.

Von dpa Aktualisiert: 17.05.2023, 12:56
Ein Schild weist auf den Eingang der Justizvollzugsanstalt hin.
Ein Schild weist auf den Eingang der Justizvollzugsanstalt hin. Bodo Schackow/dpa

Erfurt - Zarte Pflänzchen aus dem Knast: Bei einem Basar in der Rotunde des Regierungsviertels können Interessierte am Mittwoch Produkte etwa aus den Werkstätten Thüringer Gefängnisse kaufen. Neben Vogelhäuschen und Insektenhotels gelten die Pflanzen aus der Gärtnerei der Justizvollzugsanstalt Tonna als „Highlight“, wie eine Sprecherin des Justizministeriums sagte. In Tonna werden Frühblüher und Balkonpflanzen gezogen. Etwa zehn Arbeitsplätze biete die Gärtnerei aktuell, wie es aus der Haftanstalt hieß. Auf 6000 Quadratmeter Freilandfläche und 1400 Quadratmetern unter Glas und Folie bauen die Sträflinge auch Gemüse an.

Bei der Arbeit hinter Gittern gehe es vor allem um Resozialisierung, betonte die Ministeriumssprecherin. Also darum, die Straftäter wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Auch Ausbildungen seien in den Gefängnisbetrieben möglich. Daneben spiele die Arbeitstherapie eine Rolle, bei denen etwa besagte Vogelhäuschen entstehen oder auch Gegenstände verpackt werden. „Mit der Arbeit verdienen die Gefangenen etwas Geld, womit sie im Gefängnisladen einkaufen können.“

Tatsächlich fällt die Vergütung für die Arbeit der Sträflinge gerade verglichen mit Löhnen außerhalb der Gefängnisse mager aus. „Meine Klienten verdienen grob zwei Euro pro Stunde“, sagte Selina Farwick auf Anfrage. Die Sozialpädagogin berät für die Bewährungs- und Straffälligenhilfe Thüringen vor allem in Sachen Schulden.

Das Justizministerium verweist aber auf „enorme Kosten“, die die Beschäftigung der Gefangenen für das Land bedeute, wie aus einer Antwort des Ministeriums auf eine entsprechende Kleine Anfrage zweier Linken-Landtagsabgeordneten hervorgeht. Dabei gehe es vor allem um die Bezahlung der Angestellten, die die Häftlinge in den Betrieben beaufsichtigen und anleiten. Zudem würden die Gefangenen in den Anstalten untergebracht und verpflegt.

Dennoch sei die Vergütung sehr knapp bemessen, sagte Farwick. „Es ist sehr wenig Geld, vor allem weil das Arbeitsentgelt häufig noch in Haus- und Eigengeld aufgeteilt wird.“ Das Eigengeld werde oft gepfändet, um damit Gerichtskosten zu zahlen oder um andere Gläubiger zu bedienen. Was übrig bleibe, könnten die Gefangenen dann für sich selbst nutzen. „Sie kaufen sich dann Duschgel oder eine Packung Wurst, Käse, oder Zigaretten“, so Farwick. Das alles koste aber im Gefängnis nicht weniger als draußen. Zudem sei es so kaum möglich, ausreichend Geld für die Zeit nach der Haft anzusparen.

Als besonders problematisch betrachten Farwick und ihre Kolleginnen zudem, dass Gefangenen - auch wenn sie arbeiten - nicht in die Rentenversicherung einzahlen. „Gerade bei langen Haftstrafen fehlen den Betroffenen dann Jahre.“ Eine Lösung sei von Nöten, die die speziellen Umstände berücksichtige.

Ende April zählten rund 60 Prozent der 1335 Gefangenen in Thüringens Gefängnissen laut Ministerium als Beschäftigte.