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Fußball und Nationalstolz Fußball und Nationalstolz: Mann, Frau und Kind tragen Schwarz-Rot-Gold

Von Caroline Bock und Annette Reuther 12.06.2006, 11:24
Ist sie nicht süß? Die kleine Pauline schläft im Hemdchen mit Deutschlandfahne am Sonntag (11. Juni) im Stadtzentrum von Leipzig in ihrem Kinderwagen. (Foto: dpa)
Ist sie nicht süß? Die kleine Pauline schläft im Hemdchen mit Deutschlandfahne am Sonntag (11. Juni) im Stadtzentrum von Leipzig in ihrem Kinderwagen. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Berlin/dpa. - Diealternative Berliner Band Mia hat es schon vor einiger Zeit in einemVideo vorgeführt: Die Nationalfarben sind nicht mehr nur etwas fürStaatsbesuche, Burschenschaften, Schrebergärten oder Eckkneipen. Obsich aber dahinter ein neuer Patriotismus oder nur das WM-Fieberverbirgt, werden wohl erst Umfragen nach dem Abpfiff am 9. Julizeigen.

Pünktlich zur Weltmeisterschaft wollen gleich mehrere Bücher denDeutschen etwas mehr Selbstliebe beibringen. Am meistenAusmerksamkeit bekommt derzeit «Spiegel»-Kulturchef Matthias Matussekmit «Wir Deutschen», das den doppeldeutigen Untertitel «Warum uns dieanderen gern haben können» trägt. Florian Langenscheidt sammelt in«Das Beste an Deutschland» gleich «250 Gründe, unser Land heute zulieben». Die Imagekampagne «Land der Ideen» von Bundesregierung undWirtschaft will das internationale Interesse an der WM nutzen, um zubeweisen, dass Deutschland mehr zu bieten hat als Bratwurst, Bier undAutobahnen ohne Tempolimit. Auch sie schmückt sich dezent mit denNationalfarben.

Bei Flaggen- und Fanartikelherstellern klingeln derweil dieKassen. «Der Absatz an Fahnen ist immens. Deutschland ist der Top-Renner», sagt Lukas Weimann, Juniorchef der Pro Feet GmbH, die großeKaufhäuser mit WM-Fahnen beliefert. «Es scheint, als hätten dieDeutschen keine Probleme mehr mit ihrer Flagge.» Ob das deutscheFahnenmeer wirklich der Ausdruck für eine neue Vaterlandsliebe ist,bezweifeln Experten. «Nicht jeder Fahnenschwenker wird gleich zumPatrioten oder Nationalisten», sagt Klaus Boehnke,Sozialwissenschaftler an der International University Bremen.

Ihren Ursprung haben die deutschen Farben im 19. Jahrhundert. DasFreikorps des preußischen Reiteroffiziers Adolf von Lützow kämpfte1813 in schwarz-rot-goldgelben Uniformen gegen den französischenBesatzer Napoleon. Wenige Jahre später nahmen die studentischenBurschenschaften die Farben an, 1848 bestimmte die FrankfurterNationalversammlung sie zu Symbolen des Deutschen Bundes. Auch in derWeimarer Republik waren die Farben Schwarz-Rot-Gold. Nach derSchreckensherrschaft der Nationalsozialisten wurden sie in beidenTeilen Deutschlands wieder gehisst, in der DDR mit Hammer und Zirkel.So unverkrampft wie die Dänen oder die Amerikaner gehen die Deutschenheute aber noch lange nicht mit ihrer Fahne um.

Aus stilistischer Sicht findet die Kombination Schwarz-Rot-Goldnicht nur Liebhaber. «Hätte man sich 1949, als man zusammensaß, eineFahne für Deutschland zu entwerfen, nicht auf elegantere Farbeneinigen können? Ein zartes Violett, ein höfliches Lindgrün, einfrisches Hellblau?», fragt die «Frankfurter AllgemeineSonntagszeitung» im Scherz. Wer in wilhelminischem Gehorsam überlegt,ob das Flagge zeigen am Balkon überhaupt erlaubt ist, den wird eineeigens zur WM herausgegebene Pressemitteilung des DeutschenMieterbundes beruhigen: «Plakate und Fahnen stören niemanden.» Aberbitte ein Exemplar «in Normalgröße» wählen, so dass nicht die Fensterder Nachbarwohnungen mitbeflaggt werden.

Eine Deutsche Fahne, zwei Flaschen Bier - und schon kommt Mann der Frau näher. Das Foto entstand am 9. Juni auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg St. Pauli. (Foto: dpa)
Eine Deutsche Fahne, zwei Flaschen Bier - und schon kommt Mann der Frau näher. Das Foto entstand am 9. Juni auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg St. Pauli. (Foto: dpa)
dpa
Nationalstolz kann auch anstrengend sein: Dieser Fußballfan verschlief am Freitag (9. Juni) in Düsseldorf das Auftaktspiel der Fußball-WM. (Foto: dpa)
Nationalstolz kann auch anstrengend sein: Dieser Fußballfan verschlief am Freitag (9. Juni) in Düsseldorf das Auftaktspiel der Fußball-WM. (Foto: dpa)
dpa