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Frankreich Frankreich: Zwölf Tote bei Zugunglück in Nancy

06.11.2002, 06:42
Feuerwehrleute am ausgebrannten Schlafwagen des Nachzuges Paris-München-Wien nahe dem Bahnhof Nancy. (Foto: dpa)
Feuerwehrleute am ausgebrannten Schlafwagen des Nachzuges Paris-München-Wien nahe dem Bahnhof Nancy. (Foto: dpa) AFP

Paris/dpa. - Ein verheerender Brand im Nachtzug D 261 von Paris nach München hat zwölf Menschen im Schlafwagen das Leben gekostet. Unter den Toten sind nach Angaben französischer Behörden drei Männer aus Deutschland im Alter von 33, 37 und 55 Jahren. Zwölf Menschen wurden verletzt, unter ihnen vier Deutsche. Ihr Leben sei nicht in Gefahr. Die meisten Opfer starben an Rauchvergiftung. Der Brand war Mittwochnacht gegen 2.15 Uhr im ostfranzösischen Nancy in einem Schlafwagen der Deutschen Bahn ausgebrochen, der direkt hinter der Lok fuhr.

Die Ursache des Unglücks in dem aus elf Wagen bestehenden Nachtzug, darunter zwei Schlafwagen der Deutschen Bahn AG (DB), ist unklar. Weder technisches, noch menschliches Versagen wurde ausgeschlossen. Französische und deutsche Bahn-Experten ermitteln.

In dem 38 Jahre alten Schlafwagen gab es keinen Rauchmelder. Dies sehen die europäischen Brandschutznormen nach Angaben der Deutschen Bahn auch nicht vor. Der betroffene Schlafwagen habe den Sicherheitsstandards der Vereinigung internationaler Eisenbahnen (UIC) entsprochen, hieß es in einer Mitteilung am Mittwochabend. «Ein Rauchmelder hätte auch nicht mehr tun können, als den Brand zu melden», hatte zuvor Bahn-Vorstand Hans G. Koch in Frankfurt/Main gesagt. Der Schaffner habe vor seinem Abteil im ersten Wagen gesessen, als darin der Rauch ausgebrochen sei. Er habe dies sofort bemerkt und den französischen Zugführer informiert.

Dieser Darstellung widersprach am Abend der französische Staatsanwalt Michel Senthille: Der zuständige Schaffner sei nicht an seinem Platz, sondern im benachbarten Wagen gewesen, als der Brand ausbrach. Wegen des Feuers und des dichten Qualms habe er nicht mehr zurückkehren können, sagte Senthille in Nancy. Der Schaffner habe von dort aus dann Alarm gegeben. Der Deutschen Bahn zufolge erlitt der Schaffner einen Schock und konnte bis zum Abend noch nicht von einem Bahnvertreter zum Unfallhergang befragt werden.

Nach Angaben der Bahn hat der französische Zugchef nach der Information durch den Schlafwagenbetreuer über das Feuer entschieden, den Zug bis in den Bahnhof von Nancy zu fahren und dann die Notbremse zu ziehen, um in Bahnhofsnähe eine schnelle und effektive Rettung zu ermöglichen. Nahezu zeitgleich hätten französische Bahnbedienstete den Brand entdeckt und den Strom der Oberleitung abgeschaltet, so dass der Zug etwa 800 Meter hinter dem Bahnhof Nancy zum Stehen kam. Die französische Staatsbahn SNCF hatte zuvor berichtet, Gleiskontrolleure hätten den Rauch bemerkt, den Zugführer per Funk informiert und die Stromversorgung des Zuges gestoppt. Etwa sechs Minuten nach dem Feuer waren die Rettungsdienste am Unglücksort. «Wir waren sofort da», berichtete die Feuerwehr.

Bei dem Unglück kam eine ganze amerikanische Familie ums Leben: ein zwölfjähriges Mädchen, ein achtjähriger Junge, ihre beiden 43 Jahre alten Eltern sowie die 72-jährige Großmutter. Andere Reisende konnten sich aus der Todesfalle befreien. Einige schlugen mit Nothämmern die Fenster ein und sprangen ins Freie oder liefen in den nächsten Wagen. Der Münchner Marcus Schniedel berichtete: «Ich habe Rauch gerochen. Dann habe ich gesehen, dass zwei Kontrolleure nach vorne liefen und dann ist der Zug zum Stehen gekommen.»

Die meisten der fast 200 Reisenden des deutsch-französischen Nachtzuges, der um 22.58 Uhr aus Paris abfuhr, kamen mit dem Schrecken davon und reisten später nach Deutschland weiter. «Wir wussten lange nicht, was überhaupt passiert ist», sagte Marie Forget bei der Ankunft in Frankfurt. «Ich bin durch mehrere Waggons gerannt - ich hatte Angst», erzählte der Kroate Zelimir Istoc Novak (52) in München. Er habe Flammen und ein großes Feuer gesehen.

Nach Angaben der französischen Behörden wurde der Herd des Brandes dort festgestellt, wo die Heizungsanlage untergebracht ist und die Stromkabel verlaufen. Von dort sollen sich die Flammen ausgebreitet haben, die zwei Abteile des Schlafwagens völlig zerstörten. Christoph Franz von der Deutschen Bahn bestritt jedoch, dass ein technischer Defekt der Heizungsanlage verantwortlich sein könnte und schloss auch einen «menschlichen Fehler» als Unglücksursache nicht aus.

Frankreichs Verkehrsminister Gilles de Robien erwartet einen ersten Bericht zum Unglückshergang in zwei Wochen. Ein Sprecher des Bundesgrenzschutzes (BGS) erklärte in Frankfurt, der Nachtzug solle zur Untersuchung in Frankreich bleiben. Der Chef der französischen Staatsbahn, Louis Gallois, und Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sprachen den Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Bahn-Vorstand Koch betonte, der Schlafwagen sei 1999 umfassend modernisiert und im Juni 2001 gewartet worden. Technisch überprüft wurde der Wagen, von dem die Bahn noch 16 baugleiche im Einsatz hat, zuletzt am vergangenen Montag.