Frankreich Frankreich: Spitzenkoch erschießt sich
Paris/dpa. - Bernard Loiseau, beliebtester französischer Meisterkoch, ist tot. Der 52-jährige Wahl-Burgunder hat sich am Montag mit einem Jagdgewehr erschossen - etwa eine Woche, nachdem sein Restaurant-Flaggschiff «Côte d'Or» in Saulieu von einem der wichtigen Gastronomieführer in der Bewertung herabgestuft worden war.
Der sympathische Mann aus der Auvergne war durch Radio-Sendungen, Fernsehen und hochwertige Fertigprodukte im Schlemmerland Frankreich populärer als jeder andere Koch. In die Betroffenheit und Trauer um ihn mischte sich sofort ein Streit um die Hintergründe seiner Tat. Freunde und Mitarbeiter beschrieben Loiseau als ausgelaugt und müde.
Loiseau, seit zwölf Jahren in der Gourmet-Bibel Guide Michelin (heute: Guide Rouge) mit der Spitzennote der drei Sterne bewertet, hatte in den vergangenen Jahrzehnten ein internationales Unternehmen aufgebaut. 1998 brachte der Chef der «Bernard Loiseau AG» als erster französischer Koch sein Unternehmen an die Pariser Börse. Loiseaus «Tanten»-Bistrots in Paris («Louise», «Marguerite» sowie «Jeanne») gehören zwar auch zu seinem Koch-Imperium. Die «Haute Couture» der Kochkunst blieb für den sensiblen und stämmigen Konzernherrn jedoch immer sein «Côte d'Or» («Goldküste») mit dem Charme-Hotel nebenan.
Den Ermittlungen zufolge hatte sich Loiseau am Nachmittag in seinem Haus erschossen. Im Kollegenkreis wurde spekuliert, er habe es nicht verkraftet, von dem Gastronomieführer GaultMillau von 19 Punkten (Höchstnote: 20) auf 17 herabgestuft worden zu sein. «Man hat ihm zwei Punkte gestrichen, dazu kamen ein paar Presseartikel, das hat ihn umgebracht», meinte der Meisterkoch und Freund Paul Bocuse. Kollege Alain Ducasse dagegen warnte vor «Agitation, Tumult und Streit an diesem Tag der Trauer».
«Sehr abgespannt und müde» sei ihr Ehemann gewesen, nach drei Jahren Arbeit ohne Urlaub, erklärte seine Frau Dominique. Einige Berichte hätten dem «Herrn der Goldküste» zusätzlich noch zugesetzt. Patrice Vappereau, Bürgermeister von Saulieu, weiß noch, wie betrübt sein Freund Loiseau vor Wochen war, als sein dritter Michelin-Stern in Frage gestellt wurde: «Das hat sicherlich eine Rolle gespielt.»
«Eine Bewertung bringt nicht um, auch nicht ein Stern weniger», entgegnete der Direktor des Gastronomieführers GaultMillau, Patrick Mayenobe, am Dienstag den kritischen Stimmen: «Bernard Loiseau, der große französische Koch, hatte sicherlich andere Probleme, andere Sorgen.» Sicher scheint bereits, dass die heftige, nie verstummte Debatte über Sinn und Unsinn von Restaurant-Bewertungen durch den Tod des beliebten Kochs Auftrieb erhält. «Unser Berufsstand wird aktiv werden, davon wird noch die Rede sein», kündigte Bocuse erzürnt an.
Mehr noch als die nüchterne Herabstufung dürfte den Spitzen-Koch, Hotelier und Internet-Händler in Sachen Gastronomie getroffen haben, was die Topfgucker von GaultMillau dazu angemerkt haben: «Wir wagen heute zu schreiben, was jeder mehr oder weniger weiß, dass diese Küche kaum noch umwerfend ist, sondern einfach sehr gut gemacht.» Zwar ist die Rede von Loiseaus Zander in Schalotten mit Rotweinsoße und der Hühnchenbrust in heißer Gänseleberpastete, jedoch auch von einer unterschwelligen Angst des Chefkochs, «nicht zu überzeugen».
Das hatten die Küchentester vor ein paar Jahren noch ganz anders gesehen: «Wir haben bei Loiseau den Verdacht, dass er sich immer nur beste Noten verdienen wird», streckten die angereisten Kritiker von GaultMillau im Jahr 2000 nach einem ausgiebigen Essen in Saulieu die Waffen. «Bis zum Ende meiner Tage bleibe ich auch Koch», hat Loiseau jedenfalls immer beteuert. Auch wenn die Aufgaben und Probleme seines Unternehmens ihm pausenlos alles abverlangten und ihn so zermürbten.