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Frankreich Frankreich: Krebspatientin Sébire ist gestorben

20.03.2008, 08:41

Paris/dpa. - Nach einer Obduktionschlossen die Ermittler am Karfreitag einen natürlichen Tod durch denKrebs, eine Blutung oder einen Schlaganfall aus. «Der persönlicheZustand dieser Person hat ihren Tod nicht direkt herbeigeführt»,erklärte die Staatsanwaltschaft von Dijon. Die Leiche weisezahlreiche chemische Substanzen auf, die nun analysiert würden.

Der Fall der 52 Jahre alten Lehrerin hat die Franzosen erschüttertund eine lebhafte Debatte um das erst 2005 reformierte Gesetz überSterbehilfe ausgelöst. Chantal Sébire litt unter dem sehr seltenenEsthesioneuroblastom, einem Krebs in der Rinne der Geruchsnerven. Siekonnte nicht mehr riechen, schmecken und sehen. Die Wucherung drückteihre Augen und ihre Nase immer mehr nach außen, so dass sie unterendlosen Qualen litt und nur noch «würdevoll sterben» wollte.Fernsehbilder zeigten die Lehrerin aus Plombières-les-Dijon imBurgund abgemagert und geschwächt, aber entschlossen und gefasst.

Die Obduktion stieß bei vielen Franzosen auf Unverständnis. «DerArzt, der den Totenschein ausgestellt hat, hat sich geweigert, dieLeiche zur Beerdigung freizugeben», sagte ein Justizmitarbeiter dem«Figaro» (Freitag). Sébires Rechtsanwalt Gilles Antonowicz hattezuvor eine Obduktion als «barbarisch und unwürdig» abgelehnt. Wenndie «ins Wasser gegangen wäre, hätte es keine Autopsie gegeben».

Am Montag hatte sich die letzte Hoffnung von Chantal Sébire aufärztliche Sterbehilfe zerschlagen. Ein Gericht in Dijon wies ihrenAntrag ab, ihrem Arzt das Recht zu gewähren, ihr eine tödlicheMedikamentendosis zu verabreichen. Das Gesetz von 2005 erlaubt demArzt nur die passive Sterbehilfe. So darf der Mediziner zwar einekünstliche Ernährung einstellen, aber keine Todesspritze geben.

Einen Selbstmord hatte Sébire aus moralischen Gründen stetsabgelehnt. Sie wollte aber auch nicht nach Belgien oder in dieNiederlande gehen, wo aktive Sterbehilfe nicht bestraft wird. «Ichwill in meinem eigenen Bett sterben», sagte sie. Der Präsident der«Vereinigung für das Recht auf würdiges Sterben», Jean-Luc Romero,nannte Sébires Tod angesichts der unerträglichen Schmerzen «eineErleichterung». Es sei «dramatisch», dass erst Fälle wie dieser diePolitiker zum Handeln brächten.

Premierminister François Fillon kündigte eine Überprüfung desGesetzes an. Die Regierung bleibt in der Frage gespalten. DerAußenminister und Gründer der Organisation Ärzte ohne Grenzen,Bernard Kouchner, hatte dafür plädiert, für Sébire aus humanitärenGründen eine Ausnahme vom Gesetz zu machen. Justizministerin RachidaDati hatte dagegen den Gerichtsentscheid verteidigt. Fillon erklärte,der Fall gehe «an die Grenze dessen, was eine Gesellschaft sagen kannund was das Gesetz tun kann».