Frankreich Frankreich: Amokläufer von Nanterre springt aus dem Fenster

Paris/dpa. - Der Amokläufer von Nanterre hat einen Tag nach derBluttat mit einem Sprung aus dem vierten Stock des Justizpalastes inParis Selbstmord begangen. Er stürzte sich während des Verhörs ausdem Fenster des Vernehmungszimmers. Der 33 Jahre alte Richard Durnhatte in der Nacht zum Mittwoch im Stadtrat des Pariser Vorortes achtMenschen getötet und 19 verletzt. Bei der Vernehmung hätten die zweiBeamten noch vergeblich versucht, Durn an den Beinen festzuhalten,teilte die Polizei am Donnerstag mit. Sein Körper schlug im Innenhofauf, wenige Minuten später war er tot.
Bei seinem tödlichen Sturz streifte Durn eine Frau, die inBegleitung eines Anwalts den Hof überquerte. «Sie schrie auf, als sieden blutüberströmten Körper am Boden sah», sagte der Anwalt. DieBehörde leitete eine Untersuchung ein, um die genauen Umstände desSelbstmordes zu klären. Die Polizisten hatten Durn bei der Vernehmungin dem kleinen Büro die Handschellen abgenommen, um - wie es hieß -eine Atmosphäre des Vertrauens herzustellen.
Vor seinem Suizid hatte der arbeitslose Mann ein formellesGeständnis abgelegt. Durn hatte in der Nacht zum Mittwoch im Rathausdes Pariser Vorortes Nanterre - nach Angaben der Staatsanwaltschaft«mit Vorsatz und kalter Überlegung» - acht Kommunalpolitikererschossen und 19 Menschen verletzt, 14 von ihnen schwer. ImKugelhagel starben vier Männer und vier Frauen im Alter zwischen 30und 58 Jahren, vier Kommunisten, drei Konservative und ein Grüner.
«Tötet mich, tötet mich», hatte Durn gerufen, als ihn Gemeinderäteschließlich überwältigen konnten. Durn befand sich seit Jahren inpsychiatrischer Behandlung, nahm Antidepressiva und sprach nachAngaben seiner aus Slowenien stammenden Mutter, bei der er lebte,häufig von Selbstmord.
In einem 13-seitigen Brief, den die Polizei in Durns Wohnung fand,war von seinem Versagen im Leben und seinem Todeswunsch die Rede. Erhabe aber nicht allein sterben wollen. Auch seine 65-jährige Muttersagte, er habe andere in den Tod mitnehmen wollen. Nach Angaben derStaatsanwaltschaft hatte Durn die Bluttat seit mehreren Wochengeplant. Der Todesschütze habe einmal in seinem Leben im Mittelpunktstehen wollen, sagte der Staatsanwalt.
Das Verbrechen löste in Frankreich Entsetzen und eine Welle derSympathie für die Opfer aus. In Nanterre legten trauernde Bürger amDonnerstag im Rathaus Blumensträuße nieder. In vielen GemeindenFrankreichs wurden als Zeichen der Trauer die Flaggen auf Halbmastgesetzt.
Staatspräsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospinzeigten sich betroffen über diese «Wahnsinnstat», nutzten das Themajedoch noch nicht für den laufenden Wahlkampf. Die zunehmende Gewaltin den Städten ist die mit Abstand größte Sorge der Franzosen, wobeiChirac der Regierung des Sozialisten Jospin fehlendeDurchsetzungskraft vorwirft.
Der Sportschütze Durn besaß mit behördlicher Genehmigung dreiSchusswaffen und trainierte seit sechs Jahren regelmäßig in einemSchützenclub. Sein Waffenschein war jedoch seit zwei Jahrenabgelaufen. In diesen Fällen sind die Behörden nach dem Gesetzverpflichtet, die Waffen einzuziehen. In dem Club war Durn nichtaufgefallen. In den Medien wurden Stimmen laut, dieGenehmigungsverfahren für Sportschützen zu verschärfen.
Im elsässischen Mülhausen wird es als Folge des blutigen Amoklaufsin Nanterre künftig bei Stadtratssitzungen Sicherheitskontrollengeben. Bereits zur Sitzung am 15. April würden Polizisten die Taschender Zuhörer kontrollieren, kündigte Oberbürgermeister Jean-MarieBockel an. Ob andere Gemeinden ähnliche Maßnahmen ergreifen wollen,wurde nicht bekannt.
Das Blutbad von Nanterre war das schlimmste Verbrechen dieser Artin Frankreich seit dem Amoklauf eines 16-Jährigen 1995, bei dem imSüden des Landes 16 Menschen starben.
