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Format-Filmkunstverleih Format-Filmkunstverleih in Halle: Diese Videothek ist ein Juwel

Von Anja Herold 14.01.2017, 13:00
Der Chef in seinem Reich: Friedemann Fanenbruck.
Der Chef in seinem Reich: Friedemann Fanenbruck. Günter Bauer

Halle (Saale) - Ganze vier Videotheken gibt es nach Angaben der Industrie- und Handelskammer noch in Halle. Vor zehn Jahren sah das anders aus, allein in der Innenstadt gab es etliche. Eine nur hat dort überlebt: der Format-Filmkunstverleih in der Geiststraße.

Was den Format-Filmkunstverleih in Halles Innenstadt vom Rest abhebt

2006 eröffnet, letztes Jahr war zehnjähriges Jubiläum. Was aber unterscheidet nun diese Videothek von anderen? Die Auswahl! Außer Schmuddelstreifen gibt es im „Format“ quasi alles: Unzählige interessante Filme als DVD oder Blu-Ray, sortiert nach Regisseuren oder nach Genres, und diese - bei großem Umfang - nochmals nach Zeiten und Ländern. Also „Drama, Europa, ab 2000“ etwa. Es gibt ein Regal mit Trickfilmen, ein langes mit Dokumentationen. Es gibt die Queer- und Genderfilme, Experimental-, Musik-, Literaturfilme.

Format-Filmkunstverleih hat 15.000 Filme in den Regalen

Unmöglich, hier alles aufzuzählen. 15.000 Filme stehen inzwischen im „Format“, angefangen hat Betreiber Friedemann Fanenbruck mit 3.000. Wenn gerade viele neue Streifen erscheinen, kauft er mitunter zehn bis 20 hinzu - pro Woche! Er entscheide sich dabei für Filme, die er selber gerne sehen möchte, sagt er. „Aber natürlich auch für solche, die mich persönlich nicht so sehr interessieren. Ich kann es mir gar nicht leisten, jemanden auszuschließen“.

Er erwirbt alles, was in Deutschland im Kino gelaufen ist. Aber auch Videopremieren sind bei ihm zu finden, das sind Filme, die nur in den USA gezeigt wurden und hierzulande lediglich auf DVD erscheinen. Seine Auswahl umfasst aber, genau genommen, fast die ganze Welt. Friedemann Fanenbruck informiert sich in Kino- und Filmmagazinen wie dem „Film-Bulletin“ oder dem „ray“ und liest nahezu jede Filmkritik, die er in die Hände bekommt.

Von Sergej Eisenstein bis Quentin Tarantino: Diese Regisseure hat der Format-Filmkunstverleih im Regal.

Ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal seines Geschäfts aber ist die lange Reihe der gesondert sortierten Regisseure aus aller Welt, fast 200 sind es. „Vor der Eröffnung habe ich sehr umfangreich recherchiert. Bis dahin kannte ich mich nur mit dem deutschen Programmkino aus, und deshalb habe ich nach den bekanntesten und wichtigsten Regisseuren gesucht.“

Manche, sagt Fanenbruck, ehemals Betreiber des halleschen Programmkinos „La Bim“, seien in Deutschland dennoch kaum bekannt. Der Japaner Yafujiro Ozu zum Beispiel oder der Kanadier Guy Maggin. Heute nur selten gespielte wie der Russe Sergej Eisenstein sind darunter, aber auch die Großen der Gegenwart wie Tarantino oder Wes Anderson.

In seinem Autorenregal, sagt Fanenbruck, stehen mitunter Filme, die noch nie ein Kunde ausgeliehen habe. „Aber wenn dann doch irgendwann mal jemand kommt und diesen einen Film sucht, habe ich ihn da!“

Ältester Film im Verleih ist über 200 Jahre alt

Vor gut einem Jahr ist das „Format“ umgezogen, von einem kleinen Laden in der Geiststraße schräg gegenüber in einen größeren im denkmalgeschützten Industriedenkmal, Nummer 21. Der Grund dafür, sagt Friedemann Fanenbruck, sei Platzbedarf gewesen.

Denn, und dies ist eine weitere Besonderheit, im „Format“ werden alle, wirklich alle Filme archiviert. „Nichts soll verschwinden“, sagt Fanenbruck. In ein langes Archivregal wandern sämtliche Filme, die seit drei Jahren nicht mehr verliehen worden sind. Und in der Ecke „Als die Bilder laufen lernten“ finden sich uralte Raritäten, die älteste darunter ist Georges Melies „Die Magie des Kinos“ aus dem Jahr 1896.

Format-Filmkunstverleih: Darauf legen die Mitarbeiter wert.

Dieses Ausmaß der Liebe zur Filmkunst ist vielleicht etwas, das den Betreiber des „Format“ von etlichen Kollegen unterscheidet. Er und seine Mitarbeiter kennen sich aus, auch wenn, wie Fanenbruck sagt, man natürlich nicht jeden Film gesehen haben kann. „Aber den Titel und den Namen des Regisseurs kennen wir schon bei jedem Film.“

Und so können die Kunden schnell ins Gespräch kommen im „Format“ - und genau das ist es, was dem 38-Jährigen bei der Eröffnung vorschwebte. Ein Ort der Begegnung sollte seine Videothek sein: „Wo schöne Musik läuft, man sich auch mal hinsetzen kann und miteinander reden.“

Streamingdienste machen dem Format-Filmkunstverleih das Leben schwer

Aber natürlich, trotz all des Speziellen, ist auch diese Videothek den Umbrüchen der Zeit ausgesetzt, und Fanenbruck spürt sie deutlich. Die Zahl der Kunden sei massiv zurückgegangen. „Wenn noch weniger kommen, muss ich schließen. Ich kann nicht noch mehr einsparen“, sagt er ganz deutlich. Vor fünf Jahren hatte er elf Angestellte, heute sind es drei.

Die Angebote von Streamingdiensten wie Netflix oder Amazon oder auch Kinoplattformen und Mediatheken machen es Filmverleihern zunehmend schwer zu überleben. „Dabei ist das meiste, was wir hier anbieten, auf legale Weise nicht im Internet zu finden“, sagt Fanenbruck. Würde sein „Format“ scheitern, dann wäre Halle um ein besonderes Kunstangebot ärmer. (mz)