Security verweigert Rettungswagen Flüchtlingsheim in Berlin: Security verweigert Rettungswagen - Schwangere verliert Kind

Berlin - In einer Berliner Asylunterkunft haben sich Ende Juni zwei Security-Mitarbeiter geweigert, den Krankenwagen für eine hochschwangere Frau zu rufen – mit eventuell tödlichen Folgen.
Nach Auskunft ihres Anwalts blutete die 23-Jährige, die im neunten Monat schwanger war, in der Nacht zum 23. Juni und hatte starke Schmerzen. Als ihr Ehemann gegen 3 Uhr morgens die Securitys aufforderte, den Krankenwagen zu rufen, weigerten sich die beiden Mitarbeiter. Auch ein Taxi wollten sie nicht rufen. Stattdessen gaben sie dem Paar eine Straßenkarte und forderten sie auf, selbst zum Krankenhaus zu gehen.
Armenisches Paar musste mitten in der Nacht zu Fuß und mit der Straßenbahn ins Krankenhaus
Das Sana-Klinikum ist drei Kilometer von der Unterkunft entfernt, das junge Ehepaar – auf sich allein gestellt - lief und fuhr mit der Straßenbahn dorthin. Die Frau habe nur auf ihren Mann gestützt gehen können, sagt der Anwalt, für die Strecke hätten sie deswegen mehr als anderthalb Stunden gebraucht.
Vor Ort stellten die Ärzte beim Ultraschall fest: Das Kind war bereits tot. Nach Aussage der behandelnden Ärztin sei nicht ausgeschlossen, dass das Kind überlebt hätte, wenn das Paar früher das Krankenhaus erreicht hätte, sagte Anwalt Tobias Kiwitt der Berliner Zeitung.
Anwalt der Frau stellt Anzeige wegen fahrlässiger Tötung
Die 23-Jährige und der 25-Jährige seien Jesiden aus Armenien und erst seit zwei Monaten in Deutschland. Beide seien tief traumatisiert, die Frau verlasse seit Wochen ihr Zimmer nicht und könne den Anblick von Kindern nicht ertragen, so Kiwitt. Auf eigenen Wunsch wurden sie am 14. Juli in eine andere Unterkunft verlegt.
Kiwitt fordert im Namen des Paares Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Übernahme der Beerdigungskosten von der Sicherheitsfirma G&S. Gegen die beiden Mitarbeiter hat er Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung gestellt.
Security-Mitarbeiter sind nicht mehr in der Rhinstraße im Einsatz
Die beiden Mitarbeiter seien nicht mehr in der Erstaufnahmestelle in der Rhinstraße im Dienst, sondern gleich nach dem Vorfall abgezogen worden, sagte Manfred Nowak, Vorstand der Berliner Arbeiterwohlfahrt (Awo). Die Awo ist Betreiber der Flüchtlingsunterkunft, die auf 350 Personen ausgelegt ist. „Was hier passiert ist, ist tragisch und wird von uns in besonderer Weise bedauert“, so Nowak.
Es gebe für Sicherheitsdienste klare Anweisungen, wie in solchen Fälle zu verfahren sei – vor allem, wenn es um Schwangere gehe. Die seien mündlich vermittelt worden, aber auch im Vertrag mit der Sicherheitsfirma G&S genau festgelegt: „Die Regel gilt: Ruft immer einen Krankenwagen, lasst die notwendige Sensibilität walten.“
In der Vergangenheit „öfter mal Beanstandungen" in Bezug auf Sicherheitsservice G&S
In der Vergangenheit habe es „öfter mal Beanstandungen“ in Bezug auf Mitarbeiter der G&S gegeben, so Nowak. Dabei sei es zum Beispiel darum gegangen, dass sich Mitarbeiter nach Ansicht von Heimbewohnern im Ton vergriffen hätten und nicht respektvoll behandelt fühlten. Wenn die Awo diese Fälle meldete, seien die betreffenden Mitarbeiter aber immer rasch abgezogen worden. Nowak zieht ein positives Fazit: „Wir arbeiten mit der Firma seit langem eng und gut zusammen.“
Flüchtlingsrat: „Das ist ein Fehler im System"
Der Flüchtlingsrat Berlin, der den Fall publik gemacht hatte, fordert von Senat und Landesflüchtlingsamt die Festschreibung klarer Richtlinien für Sicherheitsmitarbeiter in Notfällen. Denn dass trotz Aufforderung kein Krankenwagen gerufen werde, sei kein Einzelfall, sondern „ein Fehler im System", sagte Nora Brezger vom Flüchtlingsrat der Berliner Zeitung.
„Ob ein Krankenwagen gerufen wird oder nicht, darf nicht in der Hand von nichtmedizinischem Personal liegen", so Brezger. „Wir fordern eine ganz klare Weisung, dass immer der Krankenwagen gerufen wird, wenn Geflüchtete das fordern.“
Senatsverwaltung verspricht Aufklärung
Integrationsstaatssekretär Alexander Fischer erklärte am Dienstag auf Twitter: „Das ist ein entsetzlicher Vorfall, der betroffen macht und Fragen aufwirft." Der Fall werde aufgeklärt. „Es ist inakzeptabel, wenn Menschen die Notfallversorgung verwehrt wird. Das muss jederzeit gewährleistet sein.“
Die Sicherheitsfirma G&S reagierte bisher nicht auf Anfrage der Berliner Zeitung. (red)
(Der Text erschien zuerst in der Berliner Zeitung)