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Flüchtlinge und Helfer am Lageso verunsichert Flüchtlinge und Helfer am Lageso verunsichert: "Jeder kann sich vorstellen, dass hier jemand stirbt"

Von Silvia Perdoni 28.01.2016, 14:40
Alltag as usual: Flüchtlinge warten am Lageso.
Alltag as usual: Flüchtlinge warten am Lageso. AFP Lizenz

Die Kerzen sind weg. Auch die Zettel, die Traueranzeige sowieso. Vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in der Moabiter Turmstraße ist am Donnerstagmittag nichts mehr zu sehen, das an den angeblich verstorbenen Flüchtling vom Vortag erinnert. An die Falschmeldung, die vom Tod eines Mannes berichtete, den es niemals gab. Auf den ersten Blick stehen die Menschen in der Schlange zwischen den Gattern, wie sie es jeden Tag tun. Doch sie reden.

Gerüchte unter den Flüchtlingen

Der Mann sei sehr wohl gestorben, das Lageso würde es nur verschweigen, sagt einer. Das sei Unsinn, versichert ihm ein Sicherheitsmann, der das Gespräch mithört, auf Arabisch. "Es ist kein Flüchtling gestorben?", der 25-jährige Ahmed R. aus Syrien stutzt, als er von der Presse auf den Fall angesprochen wird.

Er steht ganz hinten in der Schlange, heute sind seine Bekannten und er spät dran gewesen. Das Dementi der Todesmeldung von Polizei und Senatsverwaltung am Mittwochabend hat er nicht mitbekommen. Auch nicht, dass der Helfer Dirk V. die dramatische Geschichte nur erfunden hat.

"Jeder kann sich vorstellen, dass hier jemand stirbt"

"Wir standen gestern ab 6 Uhr morgens hier in der Schlange. Über Facebook habe ich erfahren, dass ein Flüchtling gestorben ist", berichtet R. "Wir waren geschockt." Warum ein Helfer sich sowas ausdenkt, will sein Nachbar wissen. Und, ob er jetzt verhaftet wird. "Jeder kann sich vorstellen, dass hier jemand stirbt", sagt R. "Unter den Flüchtlingen hat keiner gestern an der Meldung gezweifelt."

Ähnlich hat Kurt Kettler am Mittwoch auf die Todesnachricht reagiert. Der 49-Jährige hilft seit einem halben Jahr am Lageso mit. In knallgelber Jacke steht er vor dem Haus D, wo "Moabit hilft" Infos und Kaffee herausgibt. "Erst war ich traurig, dass ein Mensch gestorben ist. Dann geschockt, dass es eine Ente ist", sagt Kettler.

Wie viele andere Helfer hatte er die traurige Nachricht auf Facebook gepostet, Freunden geschickt, weiterverbreitet. "Manche schämen sich dafür. Aber wie hätte man es wissen sollen? Solche Falschmeldungen gab es ja nie. Ich habe einfach alles wieder gelöscht."

Keiner, der am Lageso rumlief

Den Verbreiter der erfundenen Geschichte kannte Kettler nicht. "Er war keiner, der hier am Lageso rumlief, eher hat er sich Zuhause um die Unterbringung von Flüchtlingen gekümmert." Kettler zuckt die Schultern auf die Frage, wie er über Dirk V. denkt. "Menschen sind nur Menschen, Helfer sind nur Helfer", sagt er nur. "Ich glaube, dass die Berliner langfristig schlau genug sind, 'Moabit hilft' das nicht anzukreiden. Kurzfristig glaube ich schon, dass sich die öffentliche Wahrnehmung ändert." "Moabit hilft" berichtet von wütenden Mails und Facebook-Einträgen.

In Haus D, dem "Moabit hilft"-Haus, würde die falsche Nachricht gerade nicht mehr groß zerredet, sagt Kettler. "Der Betrieb muss ja weitergehen. Hier ist so viel Stress, wir sind dauerhaft im Einsatz. Zeit zum Schwadronieren haben wir nicht."