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Fernsehen Fernsehen: Gulasch mit Hoden vom Hahn

Von Jan Dube 26.10.2006, 10:40
Der ungarische Fernsehkoch Róbert Bede präsentiert Kräuter und Paprika im Studio von TV Paprika. (Foto: dpa)
Der ungarische Fernsehkoch Róbert Bede präsentiert Kräuter und Paprika im Studio von TV Paprika. (Foto: dpa) dpa

Budapest/dpa. - Das steht in einer Plattenbausiedlung in einem Budapester Vorort. Täglich 16 Stunden Koch-TV strahlt derkleine, eigenständige Sender aus. Er kann in seiner Nische ganz gut überleben und verbreitet die Segnungen der ungarischen Küche per Kabel und Satellit auch in die Nachbarländer.

Die Ungarn sind Europameister beim TV-Konsum. Täglich sitzen sieim Schnitt 271 Minuten vor dem Fernseher, wie AGB Nielsen MediaResearch ermittelt hat. Der deutschen Durchschnitts-Zuschauer sahlaut GfK-Studie im Jahr 2005 genau eine Stunde pro Tag weniger fern,nämlich 211 Minuten. Der Markt in Ungarn ist eng. Bis 1989 gab es nurdie zwei Programme des staatlichen Senders MTV, ab 1996 rollten diePrivaten den Markt im großen Stil auf. Gut 50 ungarischsprachigeSender sind derzeit zu empfangen, seit November 2004 ist TV Paprikaam Start.

Róbert Bede (36) schnippelt schnell. Paprika, Zwiebeln,Kartoffeln. Er schwenkt die Pfanne, strahlt in die Kamera, zupftRosmarin von Bäumchen. Und redet wie ein Wasserfall. «Eine Todsündeder ungarischen Küche ist es, Paprikapulver einfach in dieFlüssigkeit zu streuen. Sie müssen es vorher vorsichtig in Fettandünsten», erklärt er den Hausfrauen vor dem Fernseher. Als Kindschon wollte Bede Koch werden, war als Elfjähriger der einzige Jungein der Koch-AG an seiner Schule. «Ich spreche mit den Zutaten», sagter. «Dann wird das Essen besser. Das habe ich wohl von meiner Muttergeerbt. Die hatte einen grünen Daumen und hat auch immer mit ihrenPflanzen gesprochen.»

Róbert Bede hat seinen Fanclub. Bis zu 40 000 Ungarn sehen bei TVPaprika zu. Laut offizieller Medienanalyse beträgt die Einschaltquoteim Schnitt 0,2 Prozent. 1,5 Millionen Haushalte können den Kanalderzeit empfangen. Der Sender trägt sich nach eigenen Angaben durchseinen Anteil an den Kabelgebühren, durch Werbeerlöse undMerchandising. Kochbücher unter dem Label «TV Paprika» verkaufen sichnach Senderangaben gut, im Dezember soll auch eine eigeneKochzeitschrift an die Kioske kommen. Die Gewinnschwelle will derSender im Jahr 2008 erreichen.

50 Prozent der Sendezeit werden mit Eigenproduktionen gefüllt, dieandere Hälfte durch eingekaufte Programme, vor allem aus Übersee.Gedreht wird nicht nur im Studio, auch kulinarische Ausflüge in diePuszta, an den Plattensee oder auf Weingüter gehören zum Programm.Gleich nach dem Start hat TV Paprika ­ der nach eigenem Bekundenerste Gastronomie-Kanal in Osteuropa ­ auch nach Tschechien und indie Slowakei expandiert. Die Küchenexperimente von Róbert Bede undseinen Kochkollegen werden einfach übersetzt. «Mit der Akzeptanz sindwir ganz zufrieden», sagt TV-Paprika-Redakteurin Ildikó Bokros überdas Auslandsengagement. Die nächsten Märkte habe man schon ins Visiergenommen: Rumänien und Österreich.

Und was passiert mit dem Gulasch, wenn die Kameras ausgeschaltetwerden? «Offiziell darf es auf Grund strenger Hygienevorschriftennicht gegessen werden», sagt Róbert Bede. Dann schaut er schmunzelndin die Runde und verrät: «Einer meiner Kameraleute hat aber innerhalbeines Jahres 16 Kilo zugenommen. Der läuft ständig mit einer Gabel inder Hosentasche durchs Studio.» Auch der Fernsehkoch selbst lässt essich nicht nehmen, von seinem Gericht zu kosten. Er füllt sich auf,schenkt ein Glas Rotwein ein, spießt einen der etwa olivengroßenHahn-Hoden auf die Gabel und beißt hinein. «Mmm», sagt er mit vollemMund. «Ich mag sie einfach, die ungarische Küche.»