Ferguson Ferguson: Gouverneur schickt die Nationalgarde
New York - Um die Lage in Ferguson wieder unter Kontrolle zu bekommen, hat der Gouverneur des US-Bundesstaates Missouri die Nationalgarde angefordert. "Angesichts der bewussten, koordinierten und immer heftiger werdenden Gewalt in Ferguson, habe ich die Männer und Frauen der Nationalgarde beauftragt, in dieser Gemeinde wieder Frieden und Ordnung herzustellen", sage Jay Nixon in einer offiziellen Stellungnahme. Das berichtet unter anderen der Nachrichtensender CNN auf seiner Internetseite.
In der Vorstadt von St. Louis war es am späten Sonntagabend (Ortszeit) erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Einzelne Demonstranten hätten mit Molotowcocktails Polizisten angegriffen, sagte der verantwortliche Polizist Ron Johnson am frühen Montagmorgen (Ortszeit) dem US-Fernsehsender CNN. Es habe auch wieder Plünderungen gegeben. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, um die Demonstration vor Beginn einer nächtlichen Ausgangssperre aufzulösen.
Die Unruhen in dem Vorort von St. Louis waren dadurch ausgelöst worden, dass ein weißer Polizist vor knapp zehn Tagen einen schwarzen Jugendlichen erschossen hatte, obwohl der 18-Jährige unbewaffnet war. Seit dem Tod des Jugendlichen Michael Brown ist es in Ferguson fast täglich zu gewalttätigen Protesten gekommen.
Von sechs Kugeln getötet
Brown soll einem Privatgutachten zufolge von mindestens sechs Kugeln getötet worden sein. Zwei Projektile hätten den Kopf und vier den rechten Arm des 18-Jährigen getroffen, befand ein von den Eltern des Opfers eingeschalteter Rechtsmediziner, wie die „New York Times“ am späten Sonntagabend (Ortszeit) berichtete.
Laut dem vorläufigen Ergebnis der Autopsie seien alle Kugeln von vorne abgefeuert worden. Der von Browns Eltern beauftragte Pathologe Michael Baden gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet. Er sagte unter anderem in dem spektakulären Gerichtsverfahren gegen den Ex-Footballstar OJ Simpson aus und wurde auch bei den Untersuchungen zum Mord an US-Präsident John F. Kennedy zu Rate gezogen. Baden war früher als oberster Gerichtsmediziner der Ostküstenmetropole New York tätig.
Weitere Experten werden eingeschaltet
Ferguson ist seit der Tötung des schwarzen Jugendlichen durch einen weißen Polizisten am 9. August Schauplatz von Unruhen und Protesten, da dem Schützen rassistische Motive unterstellt werden. Das US-Justizministerium kündigte aufgrund der „außergewöhnlichen Umstände“ des Falls an, dass nach den Behörden von Missouri nun auch zusätzlich Experten auf Bundesebene eine Autopsie der Leiche vornehmen würden.
Wenige Stunden vor dem Inkrafttreten einer neuen Ausgangssperre in der US-Kleinstadt Ferguson ist es dort erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die mit gepanzerten Fahrzeugen angerückten Sicherheitskräfte trieben die Menschenmenge am Sonntagabend (Ortszeit) mit Tränengas auseinander, wobei einige der Gaskartuschen umgehend auf die Polizei zurückgeschleudert wurden. Örtliche Medien zeigten Bilder von Krawallmachern, die ein Schnellrestaurant demolierten. Laut dem Sender KMOV-TV griffen die Sicherheitskräfte erst ein, nachdem sie mit Molotow-Cocktails beworfen worden waren. Auch von Schüssen aus der Menge heraus wurde berichtet. Einige der größtenteils jungen Demonstranten reckten derweil Protestschilder gegen Polizeigewalt in die Höhe.
Kontroverse um Rassismus
Die Ordnungskräfte des US-Bundesstaats Missouri hatten zuvor angekündigt, die zweite Nacht in Folge eine Ausgangssperre zu verhängen. Zu den Ausschreitungen kam es kurz vor dem Inkrafttreten der Ausgangssperre, die von Mitternacht bis zum frühen Montagmorgen gelten sollte. Ferguson ist seit der Tötung Schauplatz von Unruhen und Protesten, da dem Schützen rassistische Motive unterstellt werden.
Die erste Ausgangssperre in der Nacht zum Sonntag war von hunderten Demonstranten missachtet worden. Es gab sieben Festnahmen, eine Frau wurde durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. Bei einer Gedenkzeremonie für Brown am Sonntag versuchte der Einsatzleiter der Sicherheitskräfte, Ron Johnson, die Gemüter mit einer Entschuldigung zu beruhigen. An die Angehörigen des Opfers gewandt sagte er: „Ich bin mit dem Herzen bei Euch und sage Euch, dass es mir leid tut.“ Johnsons Worte wurden von den mehr als 1300 Zuhörern mit lautem Applaus quittiert. Er versprach, solange zu bleiben wie nötig, damit wieder Ruhe in Ferguson einkehre.
Johnson ist selbst schwarz und leitet inzwischen den Einsatz der Sicherheitskräfte in der mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnten Ortschaft, nachdem die zuvor eingesetzten Ordnungskräfte wegen ihres aggressiven Vorgehens abgezogen worden waren. Das militärisch hochgerüstete Auftreten hatte weite Teile der Bevölkerung gegen die örtlichen Polizisten eingenommen, die Demonstranten mit Sturmgewehren und Panzerfahrzeugen eingeschüchtert hatten.
Die Affäre Brown hat die landesweite Kontroverse um Rassismus und laxe Waffengesetze in den USA aufs Neue angefacht. Das Schicksal des Teenagers weckt Erinnerungen an den 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin, der im Februar 2012 in der Stadt Sanford in Florida erschossen worden war. Der Schütze George Zimmerman gab damals an, in Notwehr gehandelt zu haben, nachdem der unbewaffnete Teenager ihn geschlagen habe. Der Prozess gegen Zimmerman endete mit einem Freispruch. (afp)