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Familientragödie Familientragödie: Verbleib der Familie aus Drage bleibt ein Mysterium

Von Bernhard Honnigfort 10.09.2015, 10:07
Bei Buchholz in der Nordheide wird nach der vermissten Familie aus Drage gesucht.
Bei Buchholz in der Nordheide wird nach der vermissten Familie aus Drage gesucht. dpa Lizenz

Berlin - „Still ruht der See“, sagt Lars Nickelsen von der Polizeiinspektion Harburg. Die Suche sei eingestellt, es gebe keine Spuren und keine Hinweise, wo man noch nachschauen könnte. Es gebe keine Zeugen und keine konkrete Vorstellung, was im Dorf Drage bei Hamburg passiert sein könnte.

Am 23. Juli verschwand dort von jetzt auf gleich eine Familie: Vater, Mutter, Tochter. Den Vater finden Polizeitaucher später ertrunken in der Elbe. Selbsttötung, so das Ergebnis. Der Mann hatte sich einen Betonstein an den Körper gebunden und selbst versenkt. Seine Frau und Tochter bleiben verschwunden. Die Polizei steht vor einem Rätsel: „Wir können nicht sagen, was passiert ist“, so Polizist Nickelsen. Man vermutet ein Familiendrama, einen erweiterten Selbstmord, wie das auf Polizeideutsch heißt. Aber auch dafür gibt es keinerlei Spuren oder Hinweise.

Drei Prozent tauchen nicht wieder auf

In Deutschland werden momentan etwa 6500 Menschen vermisst, 4000 Erwachsene, 2500 Kinder und Jugendliche. Beim Bundeskriminalamt werden täglich rund 300 Menschen zur Fahndung ausgeschrieben, genauso viele werden aber auch wiedergefunden. Etwa die Hälfte aller Vermisstenfälle klärt sich binnen einer Woche, 80 Prozent können innerhalb eines Monats aufgeklärt werden. Aber drei Prozent sind auch nach einem Jahr noch verschwunden. Das Bundeskriminalamt führt eine Datei, sie listet Fälle und Menschen auf, die seit mehr als dreißig Jahren verschwunden sind.

In Drage, einem Dorf im Süden Hamburgs, fragt man sich mittlerweile, ob die Tragödie der verschwundenen Familie Schulze jemals gelöst wird. „Wenn man in die Straße hineinfährt, fällt der Blick jedesmal auf das Grundstück“, sagt Uwe Harden, der Bürgermeister. Auch er kann es nicht begreifen: Die Familie sei in Drage integriert gewesen, es gab etliche Verbindungen, auch durch die Tochter.

Der Mühlenteich spielt Schlüsselrolle

Es gibt nur wenig Hinweise: Eine Zeugin hatte Vater Marco, Mutter Sylvia und die zwölfjährige Miriam Schulze am 22. Juli, einen Tag vor dem Verschwinden der Familie, am frühen Abend gesehen. Hunde bestätigten später Spuren an einem Dorfteich, doch Leichen wurden trotz aufwändiger Suche nicht entdeckt. „Der Mühlenteich spielt eine Rolle", heißt es bei der Polizei. „Irgendwas muss hier geschehen sein."

Aber was? Das Dorf wird von Hundertschaften der Polizei abgesucht, das Elbufer, verschiedene Teiche. Eine 25-köpfige Sonderkommission fahndet nach der Familie. Dass sie verreist sein könnte, gilt als ausgeschlossen. Die Papiere liegen noch zu Hause. Man findet das Auto, man findet ein Fahrrad, aber man hat keine Vorstellung, was passiert sein könnte.

Am 31. Juli finden Spaziergänger in Lauenburg, 20 Kilometer elbabwärts, die Leiche eines Mannes. Die Obduktion ergibt: Es ist der Familienvater. An seinem Körper hängt ein 25 Kilogramm schwerer Betonklotz. Die Ermittler davon aus, dass er sich selbst das Leben genommen hat, es gebe „keinerlei Anzeichen für ein Fremdverschulden“.

Drei Beamte ermitteln weiter

Wo Ehefrau und Tochter sind, bleibt bis heute ungeklärt. Am 12. August berichtet „Aktenzeichen X Y“ über den Fall, es gibt ein paar Hinweise, aber nichts mit Substanz.

Nach wochenlanger intensiver Suche wird die Sonderkommission heruntergefahren. Drei Beamte dokumentieren jetzt die Ermittlungen in dem Fall. Die Polizei hat ein Fünkchen Hoffnung, dass dabei vielleicht eine neue Idee, ein neuer Blickwinkel auf die Tragödie auftauchen könnte.

Abgehakt und geschlossen wird der Fall aber dennoch nicht. „Manchmal passiert es, dass sich nach Jahren plötzlich ein neuer Zeuge meldet", sagt Polizist Nickelsen.